BVerwG: Weniger Eingänge, mehr Richter

Das BVerwG hat im vergangenen Jahr etwas weniger neue Fälle erhalten als 2022. Das sagte Gerichtspräsident Andreas Korbmacher am Donnerstag auf seiner Jahrespressekonferenz. Ein neuer Senat mit zusätzlichen Richterinnen und Richtern bearbeitet inzwischen die Verfahren, die in erster und letzter Instanz in Leipzig landen.

Der Rückgang der neuen Akten auf 977 Verfahren ist mit 0,3% gegenüber 2022 gering. Die Zahl der Erledigungen stieg derweil um 5,3% auf 1.027 Verfahren. Gerichtspräsident Andreas Korbmacher merkte vor Journalistinnen und Journalisten in Leipzig an, der Gesetzgeber habe die Möglichkeiten des Zugangs zum höchsten Verwaltungsgericht "möglicherweise etwas zu scharf gestellt". Verwaltungsgerichte in erster Instanz ließen oft keine Berufung zum OVG zu, und wenn diese wiederum keine Revision erlaubten, könnten Klägerinnen und Kläger nur noch eine Nichtzulassungsbeschwerde dagegen beim BVerwG einlegen.

Die Dauer der dort anhängigen Prozesse variiert stark. In Revisionsverfahren einschließlich der Verfahren, die unstreitig zu Ende gingen, stieg sie von durchschnittlich zwölf Monaten und vier Tagen auf 14 Monate und 17 Tage. Wurden die Prozesse durch Urteil entschieden, wuchs der Bearbeitungszeitraum gegenüber 2022 deutlich weniger auf jetzt 15 Monate und sechs Tage. Beschwerdeverfahren benötigten nahezu unverändert vier Monate und 14 Tage bis zum Abschluss. Stolz zeigte sich Korbmacher, dass das Gericht mehr als zwei Jahre vor Ablauf der gesetzlichen Frist zur Einführung der E-Akte seine Arbeit komplett "von der Papierform gelöst" habe.

"Temporäre Überausstattung"

Zunehmend hat das BVerwG in erster und letzter Instanz zugleich zu entscheiden. Dafür gönnte die Politik dem Gericht einen zusätzlichen Senat und weitere Richterinnen und Richter. Das sei eine "politische Entscheidung für eine temporäre Überausstattung durch den Gesetzgeber" gewesen, räumte BVerwG-Präsident Korbmacher ein: "An langen gerichtlichen Verfahrenslaufzeiten wird die Energiewende daher in diesem Bereich nicht scheitern." Diverse neue Gesetzesvorschriften haben seinem Gericht unlängst hierbei neue Aufgaben zugewiesen. In allen Streitigkeiten, für die das BVerwG in erster Instanz zuständig ist, gingen im Jahr 2023 92 Klagen und 31 Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein. Die Verfahren betrafen den Angaben zufolge insbesondere Infrastrukturvorhaben, Vereinsverbote und das Wirtschaftsverwaltungsrecht.

Im Jahr 2023 gingen in diesem Bereich 92 Klagen und 31 Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in erster Instanz in Leipzig ein. Die Verfahren betrafen den Angaben zufolge insbesondere Infrastrukturvorhaben, Vereinsverbote und das Wirtschaftsverwaltungsrecht.

Allein 52 von den Klagen betrafen Infrastrukturvorhaben – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. 18-mal wurden Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Das Fernstraßenrecht betrafen 14 davon, das Schienenwegerecht zwei, im Energieleitungsausbaurecht waren es 25, und Streitigkeiten nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz, bei denen es um die Infrastruktur für den Import von Flüssiggas geht, gab es elf. Im Schnitt brauchten die Bundesrichter hierfür zehn Monate und 17 Tage (Vorjahr: zwölf Monate und 18 Tage).

Vereinsverbotsverfahren, für die die Leipziger Urteilsfinder ebenfalls alleine zuständig sind, trudelten im vergangenen Jahr 15 ein (Vorjahr: zwei). Sie währten im Schnitt 23 Monate und zwei Tage. Im Wirtschaftsverwaltungs-/Energiesicherungsgesetz, ebenfalls exklusiv in der Sachsenmetropole angesiedelt, landeten dort drei neue Rechtsstreitigkeiten, deren Erledigung im Mittel sieben Monate und 24 Tage benötigte.

Für das laufende Jahr kündigte Korbmacher insbesondere Entscheidungen an etwa zum neuen § 25a AufenthG, der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlangt. Ferner geht es um die Frage, ob ein Mitglied der rechtsextremistischen Partei "Der III. Weg" Rechtsreferendar werden kann; außerdem um das Parken auf Fußwegen in der Hansestadt Bremen und um das Verbot eines Protestcamps in Hamburg gegen den G7-Gipfel. Schließlich stehen auf der Agenda Urteile über die Entschädigung einer früheren DDR-Leistungssportlerin nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG), die Sonntagsöffnung von Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen sowie das Auskunftsverlangen eines Journalisten nach der Nutzung des Polizeisystems Pegasus durch den BND.

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 14. März 2024.