Isolierte Aufhebung von Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt

Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts gibt auf Anfrage des 4. Senats seine bisherige Rechtsauffassung auf, wonach eine belastende Nebenbestimmung eines begünstigenden Verwaltungsakts im Anfechtungsprozess nur dann isoliert aufgehoben werden dürfe, wenn der verbleibende Verwaltungsakt "für sich genommen" rechtmäßig sei. Die isolierte Anfechtungsklage bietet aus Sicht des 4. Senats gerade den Vorteil, den Prüfungsumfang auf die Nebenbestimmung und ihre Trennbarkeit vom Verwaltungsakt beschränken zu können. 

Befristete Baugenehmigung

Ein Grundstückseigentümer wehrte sich gegen die Befristung einer Baugenehmigung für eine mobile Gastankstelle. Das in der Nähe der Bundesautobahn A 3 errichtete Vorhaben lag innerhalb der Bauverbotszone nach § 9 Abs. 1 FStrG. Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen hatte 2015 eine Ausnahme vom fernstraßenrechtlichen Bauverbot sowie 2016 eine Baugenehmigung erteilt - beide befristet bis November 2016. Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erteilte ihm die Straßenverwaltung im Juli 2017 eine unbefristete Ausnahme nach § 9 Abs. 8 FStrG mit Widerrufsvorbehalt. Das Anliegen scheiterte sowohl beim VG Köln als auch beim OVG Münster. Zwar sei die Klage als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf eine unbefristete Baugenehmigung, da es an einem Bauantrag fehle.

8. Senat hält nicht an Rechtsauffassung fest

Im Revisionsverfahren fragte der 4. Senat des BVerwG beim 8. Senat an, ob er an seiner Rechtsauffassung festhalte, dass eine belastende Nebenbestimmung, die einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügt werde, im Anfechtungsprozess nur dann isoliert aufgehoben werden dürfe, wenn der verbleibende Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig sei. Dieser verneinte und gab seine bisherige Auffassung auf (12.10.2022 - 8 AV 1.22, BeckRS 2022, 28356).

Bisheriger Prüfungsmaßstab entwertete Rechtsschutz

Den Leipziger Richtern zufolge hat das OVG zu Unrecht die isolierte Aufhebbarkeit der Befristung nach Art einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung geprüft. Die Befristung sei zum maßgeblichen Zeitpunkt (Erlass der Baugenehmigung) rechtswidrig gewesen. Lege man die Rechtsprechung des BVerwG bis November 2019 zugrunde, sei sie isoliert aufhebbar, weil die Baugenehmigung ohne sie "sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann". Allerdings sehe man sich durch ein Urteil des 8. Senats (NVwZ 2021, 163) gehindert, der Revision stattzugeben und die Befristung aufzuheben. Danach sei für die isolierte Aufhebbarkeit maßgeblich, ob der verbleibende Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig sei. Dem wollte der 4. Senat nicht folgen, da der dort entwickelte Maßstab den Konsequenzen, die aus der isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen folgten, nicht hinreichend Rechnung trage. Der praktische Vorzug der isolierten Anfechtungsklage bestehe gerade darin, dass sich der Prozessstoff und der Prüfungsumfang auf die Nebenbestimmung und ihre Trennbarkeit vom Verwaltungsakt beschränkten. Eine Vollprüfung der Rechtmäßigkeit dürfe daher regelmäßig außer Verhältnis stehen.

BVerwG, Beschluss vom 29.03.2022 - 4 C 4.20

Redaktion beck-aktuell, 25. Oktober 2022.