BVerwG: Heranziehung zu verjährten Anschlussbeiträgen auch bei kommunalen Wohnungsgesellschaften unzulässig

Kommunale Wohnungsbaugesellschaften dürfen nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen werden, die nach der Rechtslage in Brandenburg vor dem 01.02.2004 nicht mehr erhoben werden konnten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 23.01.2019 entschieden. Dies verstieße gegen das Rückwirkungsverbot, das bezogen auf die Festsetzungsverjährung auch für nicht grundrechtsfähige kommunale Wohnungsbaugesellschaften gelte (Az.: 9 C 2.18 und 9 C 3.18).

Kommunale Wohnungsgesellschaften zu Anschlussbeiträgen herangezogen

Die Klägerinnen sind kommunale Wohnungsgesellschaften in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafter der Klägerinnen sind ausschließlich Gemeinden. Beide Klägerinnen sind jeweils Eigentümer eines Grundstücks im Verbandsgebiet des beklagten Wasser- und Abwasserzweckverbands "Der Teltow". Die Grundstücke waren bereits am 03.10.1990 an eine Einrichtung der zentralen Schmutzwasserentsorgung angeschlossen. Für beide Grundstücke setzte der Beklagte im Jahr 2014 Beiträge für die Herstellung seiner Entwässerungsanlage fest. Die Widersprüche der Klägerinnen wurden zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht Potsdam hob die Beitragsbescheide und die Widerspruchsbescheide auf. Dagegen legte der Beklagte Sprungrevision ein.

BVerwG: Festsetzungsverjährung nach alter Rechtslage

Die Revision hatte keinen Erfolg. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 brandenburgisches KAG in der bis zum 31.01.2004 geltenden Fassung war für das Entstehen der Beitragspflicht und damit für den Beginn der Festsetzungsfrist der Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Beitragssatzung unabhängig von deren Gültigkeit maßgeblich. Danach konnten Beiträge von den Klägerinnen nicht mehr erhoben werden, weil die Festsetzungsfrist bereits Ende 1997 abgelaufen war.

Anwendung neuer Rechtslage verstieße gegen Rückwirkungsverbot

Nach der seit dem 01.02.2004 geltenden Fassung entsteht die Beitragspflicht laut BVerwG hingegen frühestens mit dem Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung. Da eine solche Satzung erstmals zum 01.01.2011 in Kraft getreten sei, sei nach neuer Rechtslage die vierjährige Festsetzungsfrist bei Erlass der Beitragsbescheide im Jahr 2014 zwar nicht verstrichen und die Beitragserhebung nicht ausgeschlossen gewesen. Jedoch verstoße die Anwendung der neuen gesetzlichen Regelung in Fällen, in denen Beiträge nach dem zuvor geltenden Recht nicht mehr hätten erhoben werden können, gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Sie stelle eine unzulässige echte Rückwirkung dar.

Auf Festsetzungsverjährung bezogenes Rückwirkungsverbot gilt auch für kommunale Wohnungsgesellschaften

Das BVerwG weist darauf hin, dass die Festsetzungsverjährung im Abgabenrecht für alle Abgabenschuldner in gleicher Weise gelte. Ihre Wirkung sei nicht davon abhängig, ob ein Vertrauen individuell betätigt oder besonders schutzwürdig ist. Das diesbezügliche Rückwirkungsverbot, das auf den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes beruhe und das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte schütze, gelte deshalb ebenfalls allgemein. Es sei mithin auch auf juristische Personen des Privatrechts anzuwenden, die wie die Klägerinnen von der öffentlichen Hand beherrscht würden und daher nicht grundrechtsfähig seien. Geschützt sei auch ihr Recht, wie jeder andere Abgabenpflichtige nicht zu Beiträgen herangezogen zu werden, die wegen Verjährung nicht mehr festgesetzt werden könnten.

BVerwG, Urteil vom 23.01.2019 - 9 C 2.18

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2019.