BVerwG hebt Abschiebungsanordnung gegen polizeilich als Gefährder eingestuften Türken auf

Ein polizeilich als islamistischer Gefährder eingestufter türkischer Staatsangehöriger darf nicht abgeschoben werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14.01.2020 der Klage des Mannes stattgegeben und die gegen ihn vom Land Niedersachsen verfügte Abschiebungsanordnung aufgehoben (Az.: 1 A 3.19).

Ministerium geht von Gefahr für Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ordnete mit Verfügung vom 05.04.2019 die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigten die Prognose, dass von ihm eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr nach § 58a AufenthG ausgehe. In Anbetracht der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung habe, sondern mit dem "Islamischen Staat" (IS) und dessen Märtyrerideologie sympathisiere. Er habe sich in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert und halte den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt.

BVerwG gewährte bereits Eilrechtsschutz

Mit Beschluss vom 25.06.2019 (BeckRS 2019, 15559) ordnete das erstinstanzlich zuständige BVerwG die aufschiebende Wirkung der hiergegen erhobenen Klage an; es begründete dies mit Zweifeln an der der Gefahrenprognose des Beklagten zugrunde gelegten Hinwendung des Klägers zum radikal-extremistischen Islamismus.

BVerwG sieht weder besondere Gefahr für Sicherheit der Bundesrepublik noch Terrorgefahr 

Auch unter Berücksichtigung der von der Behörde nach Ergehen des Eilbeschlusses und der daraufhin erfolgten Entlassung aus der Abschiebungshaft vorgelegten Erkenntnisse halte das BVerwG für den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Abschiebungsverfügung für rechtswidrig. Eine Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG könne auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst – gar vollständig oder nachhaltig – ideologisch radikalisiert sei, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen "einspannen" lasse. Auch nach diesem konkretisierten Maßstab gelange das BVerwG in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung des Verhaltens des Klägers, seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen indes zu der Bewertung, dass die festgestellten Tatsachen im Ergebnis nicht die Bewertung tragen, dass aktuell vom Kläger mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine nach § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr ausgeht.

BVerwG, Urteil vom 14.01.2020 - 1 A 3.19

Redaktion beck-aktuell, 15. Januar 2020.

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