Geschwindigkeitsmessung kann trotz verweigerten Zugangs zu Rohmessdaten verwertbar sein

Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich nicht mit Erfolg auf die teilweise Verweigerung des Zugangs zu Rohmessdaten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um diesen Zugang zu erhalten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Klage gegen Fahrtenbuchauflage

Im Dezember 2018 wurde der auf den Kläger zugelassenen Pkw auf der A8 geblitzt. Der Fahrer des Fahrzeugs konnte nicht festgestellt werden. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Der Kläger kam der Anordnung zunächst nach, klagte sodann jedoch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung. Seiner Meinung nach sei die Geschwindigkeitsmessung nicht verwertbar, da das Messgerät des Typs VITRONIC Poliscan FM 1 keine Rohmessdaten speichere. Die Klage hatte keinen Erfolg.

OVG: Zugang zu Rohmessdaten nicht rechtzeitig beantragt

Auf den Einwand des Klägers, die Rohmessdaten würden ihm von der Bußgeldstelle nicht vollständig zur Verfügung gestellt, obwohl das für eine effektive Rechtsverfolgung erforderlich sei, führte das OVG aus, dass es zwar das Recht auf ein faires Verfahren gebiete, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die Richtigkeit der Daten zu überprüfen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müsse der Betroffene den Zugang zu den Daten aber rechtzeitig beantragen. Das sei hier nicht geschehen. Der Kläger habe seinen Antrag auf Zugang bei der Bußgeldstelle erst gestellt, als die Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung bereits abgelaufen gewesen sei.

BVerwG: Nicht alles Zumutbar zur Anspruchsdurchsetzung unternommen

Nun hat auch das BVerwG die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwar sei;die Annahme des OVG, der Betroffene müsse den Zugang vor Ablauf der Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung beantragt haben, nicht im Einklang mit Bundesrecht. Eine solche zeitliche Grenze lasse sich den maßgeblichen bundesrechtlichen Regelungen nicht entnehmen. Doch stelle sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig dar. So habe der Kläger nicht alles ihm Zumutbare getan, um an die gewünschten Daten zu gelangen.

Kläger hätte rechtliche Schritte einleiten müssen

Die Bußgeldstelle habe ihm unter anderem die seinen Pkw betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, nicht aber – wie beantragt – zusätzlich die Rohmessdaten der gesamten Messreihe, also nicht auch die Daten zu anderen Verkehrsteilnehmern und die Statistikdatei. Rechtliche Schritte, um den behaupteten umfassenden Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, habe er nicht unternommen. Nur wenn er das getan hätte, könne es ein Gebot des fairen Verfahrens gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen.

BVerwG, Urteil vom 02.02.2023 - 3 C 14.21

Redaktion beck-aktuell, 2. Februar 2023.