Generalbundesanwalt muss Hanau-Akten weitgehend ungeschwärzt herausgeben
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Hält eine Behörde von einem Untersuchungsausschuss angeforderte Beweismittel zurück, da diese nicht vom Untersuchungsauftrag umfasst seien, muss sie dies hinreichend begründen. Andernfalls verkennt sie laut Bundesverwaltungsgericht die Reichweite ihres Prüfungsrechts. Es sei Sache des Ausschusses, wie tief er ermittele und welche Beweise er erhebe.

Dokumente waren teilweise geschwärzt

Der Hessische Landtag verlangte vom Generalbundesanwalt einstweilen die Herausgabe ungeschwärzter Unterlagen im Zusammenhang mit dem im Februar 2020 verübten Terroranschlag in Hanau. Er hatte im Juli 2021 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Damit sollte Handeln und mögliches Unterlassen der Hessischen Landesregierung sowie von Behörden aufgeklärt werden, das im Zusammenhang mit dem rassistischen Anschlag stand oder gestanden haben könnte. Dazu forderte der Ausschuss per Amts-­ beziehungsweise Rechtshilfe beim Generalbundesanwalt unter anderem sämtliche Akten an, die dazu angelegt worden waren. Im Oktober 2021 übersandte dieser dem Gremium 79 Aktenordner, wobei die Dokumente teilweise geschwärzt waren. Davon betroffen waren Obduktionsberichte, aber auch Bilder, die seiner Ansicht nach den Kernbereich der Persönlichkeitssphäre der Anschlagsopfer und ihrer Angehörigen betrafen. Der Landtag meinte, die angeforderten Akten könnten offenkundig zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags beitragen. Die von der Behörde vorgetragenen Verweigerungsgründe, insbesondere der postmortale Persönlichkeitsschutz, erwiesen sich als nicht tragfähig. Wie weit er ermittele, könne er aufgrund seiner Einschätzungsprärogative selbst bewerten. Der Eilantrag des Landtags hatte beim BVerwG überwiegend Erfolg.

Einwendungen verkennen Reichweite des Prüfungsrechts

Dem BVerwG zufolge ist die Generalbundesanwaltschaft zur Vorlage der vom Hessischen Landtag bezeichneten Akten in ungeschwärzter Form nach Art. 35 GG in Verbindung mit §§ 4 ff. VwVfG verpflichtet. Deren dagegen gerichtete Einwendungen hätten die Reichweite des eingeräumten Prüfungsrechts verkannt. Aus ihnen ergebe sich nicht klar, dass das konkrete Beweisthema nicht mehr vom Untersuchungsgegenstand umfasst werde. Die angeordnete Beweiserhebung durch Aktenvorlage in ungeschwärzter Form halte sich dabei sowohl in föderaler als auch in sachlicher Hinsicht innerhalb des Untersuchungsauftrags. Nach Art. 92 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Hessen erheben die Untersuchungsausschüsse in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. Dabei sei die Ermittlungstiefe grundsätzlich Sache des Untersuchungsausschusses im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative zum Umfang notwendiger Beweiserhebungen. Der von der Generalbundesanwaltschaft betonte streng persönliche Charakter der betreffenden Daten und Abbildungen sowie der postmortale Persönlichkeitsschutz der Opfer stünden der Einsichtnahme größtenteils nicht entgegen. 

BVerwG, Beschluss vom 27.01.2023 - 6 VR 2.22

Redaktion beck-aktuell, 15. Februar 2023.