Fußballfan: Fortsetzungsfeststellungsinteresse für wenige Stunden Betretungsverbot?
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Gibt es ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ohne qualifizierten Grundrechtseingriff bei nur kurzfristig dauernden Maßnahmen? Zwei Senate sind bislang unterschiedlicher Meinung. Angefragt hat der eine nun beim anderen wegen der Revision eines Fußballfans, der während eines Derbys nicht in die Dortmunder Innenstadt durfte.

Der Anhänger von Borussia Dortmund – von der Polizei als ein "Capo" (Anführer) der Ultraszene eingestuft – wandte sich gegen ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot für die Dortmunder Innenstadt während des Revierderbys 2019 gegen Schalke 04. Sein bisheriges Verhalten im Zusammenhang mit Fußballgroßveranstaltungen habe zur Überzeugung der Polizei gezeigt, dass er bewusst und geplant im Rahmen der genannten Begegnung Straftaten begehe bzw. zu ihrer Begehung beitragen werde. Dagegen wandte der Mann ein, aus privaten Gründen seit geraumer Zeit nicht mehr in der Szene aktiv zu sein. Die Vorinstanzen bescheinigten ihm ein fehlendes berechtigtes Interesse analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des bereits vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsakts. Eine Wiederholungsgefahr liege nicht vor. Dagegen legte er Revision ein.

Der zuständige 6. Senat wollte sich der Einschätzung der Vorinstanzen anschließen. In diesem Kontext fragte er beim 8. Senat an (Beschluss vom 29.11.2023 - 6 C 2.22), ob dieser an seiner 2021 geäußerten Auffassung festhalte, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei sich typischerweise kurzfristig erledigenden Maßnahmen auch bei nicht sonderlich schwerwiegenden Eingriffen bestehe. Er selbst gehe von der Notwendigkeit eines qualifizierten Grundrechtseingriff aus.

Die Leipziger Richterinnen und Richter erläuterten insoweit: Die reine Tatsache, dass solche Maßnahmen vor ihrer Erledigung üblicherweise nicht gerichtlich überprüft werden könnten, reiche für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus. Insbesondere im Polizeirecht könne dies bei Maßnahmen mit typischerweise nur kurzer Geltungsdauer ansonsten dazu führen, dass das berechtigte Interesse aus § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch dann vorliege, wenn nur noch um die bloße Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts gestritten werde. Da jeder belastende Verwaltungsakt zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG eingreife, liefe das prozessuale Erfordernis eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses insoweit praktisch leer.

BVerwG, Beschluss vom 29.11.2023 - 6 C 2.22

Redaktion beck-aktuell, ns, 25. Januar 2024.