Folgetermin nicht ausgehängt: Kein Verstoß gegen Öffentlichkeitsgrundsatz

Wird ein Folgetermin weder auf der Homepage des Gerichts veröffentlicht noch ausgehängt, verstößt dies nicht gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Der Sitzungssaal, so das BVerwG auf die Beschwerde einer Umweltvereinigung hin, war grundsätzlich zugänglich. Jeder hätte sich nach ihm erkundigen können.

Eine Umweltvereinigung hatte gegen den Planfeststellungsbeschluss zu einer Ortsumgehung geklagt. In der ersten Sitzung wurde der Folgetermin unter Angabe von Ort und Uhrzeit für den nächsten Tag verkündet. Der VGH Kassel veröffentlichte den Termin jedoch nicht auf seiner Internetseite. Auch ein Aushang – an der elektronischen Termintafel im Foyer des Gerichtsgebäudes bzw. an der elektronischen Anzeigetafel neben der Eingangstür zum Sitzungssaal – wurde vergessen. Den Senatsmitgliedern fiel das nicht auf, da sie den fensterlosen Raum über einen anderen Flur betraten. Der VGH wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Der Verein rügte daraufhin, dass der Folgetermin unter Verstoß gegen § 55 VwGO in Verbindung mit §  169 Abs. 1 S. 1 GVG (Öffentlichkeit der Verhandlung) weder im Gerichtsgebäude durch Aushang oder elektronische Anzeige noch auf der Homepage des Gerichts bekannt gemacht worden war.

Das BVerwG hat der Nichtzulassungsbeschwerde des Umweltverbands eine klare Absage erteilt (Beschluss vom 19.09.2023 - 9 B 14.23). Ein Verfahrensmangel liege nicht vor. Schließlich sei der Saal grundsätzlich zugänglich gewesen. Auch die Ankündigung des Folgetermins auf der Homepage sei nicht notwendig gewesen. Denn die Aufstellung sämtlicher Sitzungstermine auf der Website eines Gerichts stelle lediglich einen zusätzlichen Service dar. Entsprechend hätte sich jeder – etwa beim Pförtner – nach dem Saal erkundigen können.

Maßstab des Arbeitsrechts nicht übertragbar

Die strengere Auffassung des BAG (Beschluss vom 22. September 2016 - 6 AZN 376/16), wonach grundsätzlich ein Hinweis am Eingang erforderlich und ein Nachfragen an der Pforte unzumutbar sei, beruht, so das BVerwG, auf der besonderen Bedeutung der Öffentlichkeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren – dort könne auf die Öffentlichkeit nicht verzichtet werden. Auf den Verwaltungsprozess sei dies nicht übertragbar. Das BAG selbst habe darauf verwiesen, dass beispielsweise vor Finanz- und Sozialgerichten ein "abgeschwächtes Prinzip der Öffentlichkeit" gelte. Entsprechend könne im Verwaltungsprozess nach § 101 Abs. 2 VwGO auf die mündliche Verhandlung insgesamt verzichtet werden.

Zudem, so die Leipziger Richterinnen und Richter, sei ein Rügeverlust nach §  173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 295 Abs. 1 ZPO eingetreten. Schließlich habe der Verein den vermeintlichen Verfahrensfehler gar nicht erst geltend gemacht, obwohl er den Verstoß zumindest hätte kennen müssen. Hätte die Umweltvereinigung die Senatsvorsitzende über den fehlenden Aushang informiert, hätte dies umgehend korrigiert werden können. Nachträglich könne der Verstoß gegen §  169 Satz 1 GVG so nicht mehr geltend gemacht werden.

BVerwG, Beschluss vom 19.09.2023 - 9 B 14.23

Redaktion beck-aktuell, ns, 6. November 2023.