Flüchtlingsstatus für Palästinenser aus Hilfsgebiet?

Wer als staatenloser Palästinenser freiwillig ein Schutzgebiet der Vereinten Nationen verlässt, wird in Deutschland nicht als Flüchtling anerkannt. Das Bundesverwaltungsgericht wollte die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen, ohne zu wissen, warum genau der Mann das Hilfsgebiet in Syrien verlassen hatte. Nur wenn die UNRWA in Syrien nicht in der Lage gewesen sei, ihm während des Krieges zumutbare Lebensverhältnisse zu gewähren und ihn zu schützen, könne etwas anderes gelten.

Staatenloser Palästinenser verließ Hilfsgebiet

Ein junger staatenloser Palästinenser reiste 2015 in Deutschland ein und beantragte Asyl als Flüchtling. Er gab an, in Syrien geboren worden zu sein und später im Libanon gelebt zu haben. Er habe sich dann südlich von Damaskus in einem Gebiet aufgehalten, in dem die UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten) tätig war. Wegen des syrischen Bürgerkriegs sei er dann nach Deutschland geflüchtet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte zwar subsidiären Schutz zu, verweigerte ihm aber den Flüchtlingsstatus. Vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Saarlouis war der junge Mann noch erfolgreich und erhielt den begehrten Status. Das Bundesverwaltungsgericht hob aber - nach einer Vorabentscheidung des EuGH - die Entscheidung des OVG auf und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück. 

Kein Flüchtlingsstatus für geschützte Menschen

Das BVerwG hob die Vorentscheidung auf, weil diese den Flüchtlingsstatus für den Palästinenser nach § 3 Abs. 1 AsylG anerkannte, obwohl er das Lager südlich von Damaskus verlassen hatte. Damit könnte er schutzunwürdig nach § 3 Abs. 3 AsylG geworden sein: Wenn er bereits den Schutz der UNRWA genieße, sei er nicht als Flüchtling anzuerkennen. Der Wortlaut der Norm setze zwar voraus, dass er sich in dem Gebiet befinde, in dem das Hilfswerk tätig sei. Diesen Menschen sind laut den Leipziger Richtern aber Personen gleichzustellen, die den Schutz freiwillig nicht in Anspruch nehmen.

Freiwillige oder unfreiwillige Aufgabe des Beistands?

Der Erste Senat verwies die Sache zurück, um Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit der Palästinenser die Möglichkeit hatte, den Schutz der UNRWA zu erhalten. War das Hilfswerk während des Krieges in Syrien noch in der Lage, ihn zu schützen und ihm Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit ihrer Aufgabe im Einklang stehen? Hätte er in ein anderes Hilfsgebiet einreisen können? Ein Ausschluss der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 3 AsylG im Licht des Art. 12 Abs. 1a Satz 1 RL 2011/95/EU und Art. 1 Abschn. D Satz 1 der Genfer Konvention setze voraus, dass der junge Mann den Schutz der Vereinten Nationen freiwillig aufgegeben habe. Habe er hingegen die Entscheidung gezwungenermaßen unter dem Druck der Umstände getroffen, komme die Ausschlussklausel nicht zum Tragen.

BVerwG, Urteil vom 27.04.2021 - 1 C 2.21

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2021.