Größere Filialen brauchen eigenen Arbeitsschutzausschuss

Fi­li­al­un­ter­neh­men müs­sen in Fi­lia­len, in denen sie mehr als 20 Mit­ar­bei­ter be­schäf­ti­gen, Ar­beits­schutz­aus­schüs­se ein­rich­ten, auch wenn sie den Ar­beits­schutz im Un­ter­neh­men zen­tra­li­siert haben. Das BVer­wG bestätigte eine behördliche Anordnung. Dabei befasste es sich mit dem Be­triebs­be­griff im Arbeitssicherheitsgesetz.

Bei einer Kontrolle in der Ulmer Filiale einer Bau- und Gartenmarktkette monierte die Arbeitsschutzbehörde, dass es dort keinen Arbeitsschutzausschuss gab. Im Nachgang verpflichtete sie die Kette, einen solchen in der Filiale, in der die Kette circa 100 Mitarbeiter beschäftigt, einzurichten und verwies auf § 11 Satz 1 Hs. 1 ASiG: Danach muss der Arbeitgeber in Betrieben mit mehr als zwanzig Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss bilden, soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist.

Dass sie in ihrer Ulmer Filiale einen Arbeitsschutzausschuss schaffen soll, sah die Kette nicht ein. Bei ihr ist der Arbeitsschutz zentral organisiert. Auf Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung wurden bei ihr zwei Arbeitsschutzausschüsse gebildet, der Arbeitsschutzausschuss Zentralverwaltung und der Arbeitsschutzausschuss Filialbetriebe. Schon vor dem VG und dem VGH scheiterte die Kette, legte aber Revision ein, weil sie glaubt, der VGH habe den Betriebsbegriff in § 11 ASiG falsch ausgelegt.

Betriebsverfassungsrechtliches Verständnis des Betriebsbegriffs 

Die Revision hatte keinen Erfolg. Laut BVerwG hat die Behörde die Kette zu Recht nach § 12 Abs. 1 i. V. m. § 11 Satz 1 Hs. 1 ASiG zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses in der Ulmer Filiale verpflichtet (Urteil vom 01.02.2024 - 8 C 4.23). Bei dieser handele es sich um einen Betrieb im Sinn des ASiG. Das BVerwG legt dabei unter Rekurs auf die Rechtsprechung des BAG und BSG ein betriebsverfassungsrechtliches Verständnis des Betriebsbegriffs zugrunde: "Betrieb im Sinne von § 11 Satz 1 ASiG ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Dies erfasst auch qualifizierte Betriebsteile im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG."

Unter diesen Betriebsbegriff fielen auch Unternehmen mit einem zentralisierten Arbeitsschutz. "Das Ziel der örtlich angepassten Fortentwicklung von Arbeitsschutzvorschriften unter Mitwirkung von Arbeitsschutzausschüssen gebietet auch in diesem Fall die Bildung von Arbeitsschutzausschüssen auf Betriebsebene, weil es zur Erreichung des gesetzlichen Zieles der Aktivierung örtlichen Sachverstandes bedarf", so das BVerwG. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung. Denn diese stelle keine "sonstige Rechtsvorschrift" im Sinn des § 11 Satz 1 Hs. 1 ASiG dar. Als solche kämen nur formelle Bundesgesetze und Rechtsvorschriften in Betracht, die aufgrund formellen Bundesrechts Vorrang vor § 11 Satz 1 ASiG hätten.

Die Kette hatte auch einen Verstoß gegen das Erfordernis der Anhörung des Betriebsrats (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 ASiG) gerügt und meinte, die Anhörungsvorschrift schließe die Anwendung von § 46 VwVfG aus, sodass die Anordnung ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis aufzuheben sei. Laut BVerwG regelt die Vorschrift aber kein solches "absolutes Verfahrensrecht". Der VGH habe deshalb zu Recht eine Aufhebung wegen eines – unterstellten – Verstoßes gegen die Anhörungspflicht verneint, weil dies die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst habe.

BVerwG, Urteil vom 01.02.2024 - 8 C 4.23

Redaktion beck-aktuell, hs, 10. Juni 2024.