Existenzminimum im Heimatland erlaubt Rückführung

Solange das Existenzminimum in einem sicheren Landesteil seines Heimatlandes gesichert ist, darf ein Flüchtling dorthin zurückgeschickt werden. Ein über Art. 3 EMRK hinausgehender wirtschaftlicher Standard muss laut Bundesverwaltungsgericht nicht gewahrt sein. Für die Prognose sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darlegungs- und beweispflichtig.

Afghane möchte subsidiären Schutz

Ein afghanischer Staatsangehöriger verlangte die Zuerkennung subsidiären Schutzes. Nachdem ihm die Taliban in seiner Heimat wegen seiner Mitarbeit beim Welternährungsprogramm der UN nach seinen Angaben gedroht hatten, reiste er im Herbst 2015 nach Deutschland aus. Sein Asylantrag wurde vom BAMF abgelehnt und er sollte abgeschoben werden. Für ihn sei keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten und es bestehe in einigen Städten Afghanistans zumutbarer interner Schutz, so die Begründung der Behörde. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies seine Klage ab. Auch die Berufung scheiterte vor dem Verwaltungsgericht Baden-Württemberg in Mannheim, da sich der Flüchtling in Kabul, Herat oder Masar-e Sharif – frei von Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden vor den Taliban – niederlassen könne. Der 24-Jährige sah das anders: An die Zumutbarkeit der Niederlassung seien über die Wahrung des reinen Existenzminimums hinaus höhere Anforderungen zu stellen. Seine beim BVerwG eingelegte Revision blieb dennoch ohne Erfolg.

BVerwG: Wirtschaftliches Existenzminimum genügt

Die Leipziger Richter schlossen sich der Einschätzung des VGH an, dass die Gewährleistung des wirtschaftlichen Existenzminimums im Sinne von Art. 3 EMRK (Folterverbot) notwendig, aber auch ausreichend ist, um eine Flucht innerhalb des Landes zumutbar erschienen zu lassen. Darüber hinausgehende Anforderungen sind laut BVerwG nicht notwendig, wobei das Gericht einräumte, dass in der Literatur "weit überwiegend" ein höherer Standard gefordert werde. Dieser ergebe sich aber weder aus dem Wortlaut des § 3e Abs. 1 AsylG noch aus dem Gebot des § 3e Abs. 2 AsylG, die allgemeinen Lebensverhältnisse des Herkunftslandes zu berücksichtigen. Das Berücksichtigungsgebot habe vorrangig den Sinn klarzustellen, dass Maßstab für die hinzunehmenden Lebensverhältnisse jedenfalls nicht jene seien, die in dem externen Zufluchtsland herrschten, in dem um internationalen Schutz nachgesucht werde. Der VGH habe ferner die richtige Prognose getroffen, dass der junge Mann seinen existenziellen Lebensunterhalt werde sichern können.

BVerwG, Urteil vom 18.02.2021 - 1 C 4.20

Redaktion beck-aktuell, 19. Mai 2021.

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