Erneut zwei Klagen gegen "Stuttgart 21" erfolglos

Der Planfeststellungsabschnitt 1.3a des umstrittenen Bahnprojekts "Stuttgart 21" (Filderbereich mit Flughafenanbindung) darf weitergebaut werden. Die Klagen zweier Umweltverbände gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 14.07.2016, der im Revisionsverfahren nochmal geändert worden war, waren vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2020 erfolglos.

Filderbereich mit Flughafenanbindung betroffen

Der Planfeststellungsabschnitt 1.3a umfasst im Bereich des Stuttgarter Flughafens den Neubau einer parallel zur BAB 8 verlaufenden zweigleisigen Eisenbahnstrecke zwischen den bestandskräftig planfestgestellten Abschnitten 1.2 (Fildertunnel) und 1.4 (Filderbereich bis Wendlingen). Unter dem Flughafengelände soll die "Station NBS" gebaut werden, um den Flughafen und die Neue Messe an die Neubaustrecke anzuschließen. Um künftig auch die Gäubahn (Strecke Stuttgart – Singen) über den Stuttgarter Flughafen führen zu können, werden die Ein- und Ausschleifungspunkte der Neubaustrecke für den Anschluss einer späteren Flughafenkurve mit planfestgestellt. Die weitere Streckenführung der Gäubahn ist Gegenstand des noch laufenden Planfeststellungsverfahrens für den Abschnitt 1.3b. Außerdem lässt der Planfeststellungsbeschluss die Verlegung der Landesstraße L 1204 zu. Die bisher über die Neuhauser Straße geführte L 1204 soll künftig parallel zur Neubaustrecke der Bahn und der BAB 8 verlaufen. Diese "Südumgehung Plieningen" soll den Stuttgarter Stadtteil Plieningen von Durchgangsverkehr entlasten. Das Eisenbahnvorhaben der DB Netz AG und das Straßenbauvorhaben des Landes Baden-Württemberg sind in einem einheitlichen Verfahren mit Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 14.07.2016 zugelassen worden.

VGH erachtete Planfeststellungsbeschluss als rechtswidrig

Den Planfeststellungsbeschluss hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim auf die Klagen von zwei Umweltverbänden – unter Abweisung der weitergehenden Anträge – für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt, weil das Eisenbahn-Bundesamt die Vor- und Nachteile des Straßenbauvorhabens nicht unabhängig vom Eisenbahnvorhaben abgewogen habe. Im Übrigen sei die Planung nicht zu beanstanden. Während der dagegen sowohl von den Umweltverbänden wie den beiden Vorhabenträgern angestrengten Revisionsverfahren hat das Eisenbahn-Bundesamt die vom VGH geforderte Abwägung in einem Änderungsplanfeststellungsbeschluss nachgeholt. Das BVerwG hat die Einbeziehung dieses Beschlusses in die Revisionsverfahren zugelassen. Eilanträge, mit denen die Kläger die auf der Grundlage des geänderten Planfeststellungsbeschlusses wiederaufgenommenen Bauarbeiten stoppen wollten, hat es abgelehnt (BeckRS 2020, 7659 und BeckRS 2020, 7662).

BVerwG weist Klagen gegen Planfeststellungsbeschluss insgesamt ab

Die Revisionen der Umweltverbände hat das BVerwG zurückgewiesen und auf die Revisionen der beigeladenen Vorhabenträger die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss insgesamt abgewiesen. Dass der Planfeststellungbeschluss – wie die Kläger geltend gemacht haben – unabhängig von der Abwägung der Südumgehung Plieningen in ergebnisrelevanter Weise gegen Rechtsvorschriften verstößt, habe der VGH zu Recht verneint. Das BVerwG konnte eigenen Angaben zufolge unter den hier gegebenen Umständen auch über die Rechtmäßigkeit des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses entscheiden. Die Abwägung der für und gegen das Straßenbauvorhaben sprechenden Belange sei nicht zu beanstanden. Die Umweltauswirkungen der Südumgehung Plieningen seien bereits im Planfeststellungsverfahren ermittelt worden. Ein Ermittlungsdefizit habe der VGH insoweit nicht festgestellt.

Verkehrsprognose nicht zu beanstanden

Die Einwände der Kläger gegen die im ergänzenden Verfahren erstellte Verkehrsprognose seien nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Abwägung in Frage zu stellen. Die Prognose gehe davon aus, dass die Scharnhauser Straße nach Fertigstellung der Südumgehung gesperrt wird. Entgegen der Auffassung der Kläger sei es nicht geboten gewesen, diesen Umstand im Planfeststellungsbeschluss rechtlich zu sichern. Es genüge, dass die Sperrung vernünftigerweise zu erwarten ist. Daran bestehe kein Zweifel, jedenfalls nachdem das Eisenbahn-Bundesamt in der mündlichen Verhandlung die Freigabe der Südumgehung für den Verkehr von einer Zusicherung des Straßenbaulastträgers abhängig gemacht hat, die Scharnhauser Straße einzuziehen und nur landwirtschaftlichen Verkehr, öffentlichen Nahverkehr und Fahrradverkehr weiter zuzulassen.

BVerwG, Urteil vom 18.06.2020 - 3 C 2.19

Redaktion beck-aktuell, 18. Juni 2020.