Deutschland musste aus Ramstein gesteuerte US-Drohneneinsätze im Jemen nicht unterbinden

Im Jemen lebende jemenitische Staatsangehörige können von der Bundesrepublik nicht verlangen, dass sie über die bisher schon durchgeführten Konsultationen sowie die Einholung rechtlicher Zusicherungen hinaus Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass die Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für Einsätze bewaffneter Drohnen im Jemen im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Klage will bewaffnete Einsätze von US-Drohnen im Jemen unterbinden

Die Kläger begehren die Unterbindung bewaffneter Einsätze von Drohnen im Jemen, die die USA unter Nutzung von Einrichtungen auf der Air Base Ramstein durchführen. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hatte das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, dass eine Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für Einsätze bewaffneter Drohnen im Jemen nur im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet, sowie erforderlichenfalls auf dessen Einhaltung gegenüber den USA hinzuwirken. Die Kläger hätten einen Anspruch unter Berufung auf eine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht darauf, dass die Beklagte sie vor drohenden Beeinträchtigungen ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit schützt, soweit bewaffnete US-Drohneneinsätze vom deutschen Staatsgebiet aus durchgeführt würden und gegen völkerrechtliche Vorgaben mit engem Bezug zu den grundrechtlichen Schutzgütern verstießen.

OVG nahm Schutzpflichtverletzung der Bundesrepublik an

Ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht sei die Beklagte bislang nur unzureichend nachgekommen. Denn die bislang von ihr wegen einer Nutzung der Air Base Ramstein für US-Drohneneinsätze ergriffenen Maßnahmen beruhten auf der unzutreffenden Einschätzung, es gebe keinen Anlass zu Zweifeln an der Völkerrechtskonformität der Einsätze. Vielmehr bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass jedenfalls ein Teil der Drohneneinsätze mit den Vorgaben des humanitären Völkerrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes nicht in Einklang stehe. Vor diesem Hintergrund sei der bislang durchgeführte Dialog mit den USA zum Schutz der Kläger völlig unzulänglich.

BVerwG gibt Revision statt

Das Bundesverwaltungsgericht gab der hiergegen eingelegten Revision der Beklagten statt. In Bezug auf einen der drei Kläger, der nicht im Jemen lebt, sei die Klage mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Hinsichtlich der beiden anderen Kläger sei zwar die Zulässigkeit der Leistungsklage zu bejahen, die Klage sei jedoch unbegründet. Zwar könnten grundrechtliche Schutzpflichten des deutschen Staates auch gegenüber im Ausland lebenden Ausländern und im Fall von Grundrechtsbeeinträchtigungen durch andere Staaten bestehen. Hierfür reiche jedoch nicht schon die bloße Möglichkeit einer völkerrechtswidrigen Beeinträchtigung der grundrechtlichen Schutzgüter durch den anderen Staat aus. Vielmehr entstehe die Schutzpflicht erst, wenn aufgrund der Zahl und der Umstände bereits eingetretener Völkerrechtsverstöße konkret zu erwarten sei, dass es auch in Zukunft zu völkerrechtswidrigen Handlungen kommen werde, durch die grundrechtliche Schutzgüter beeinträchtigt oder gefährdet würden.

Kein qualifizierter Bezug zum deutschen Staatsgebiet

Ferner bedürfe es eines qualifizierten Bezugs zum deutschen Staatsgebiet. Hieran fehle es jedenfalls dann, wenn sich der auf das deutsche Staatsgebiet bezogene Teil der grundrechtsbeeinträchtigenden Handlungen des anderen Staates in einem rein technischen Übermittlungsvorgang ohne Entscheidungselemente erschöpfe. Für den erforderlichen Bezug reiche es nicht aus, dass der Datenstrom für die Steuerung der im Jemen eingesetzten Drohnen über Glasfaserkabel von den USA aus zur Air Base Ramstein übermittelt und von dort aus mittels einer Satelliten-Relaisstation an die Drohnen gefunkt werde. Dass die Einbindung der Air Base Ramstein in bewaffnete Drohneneinsätze im Jemen zusätzlich eine Auswertung von Informationen einschließe, sei nicht abschließend festgestellt. 

Verstöße gegen Völkerrecht nicht abschließend feststellbar

Ob die unter Nutzung der Air Base Ramstein durchgeführten Drohneneinsätze der USA im Jemen regelmäßig gegen Vorgaben des humanitären Völkerrechts, insbesondere die Verbote unterschiedsloser Angriffe oder von Angriffen mit unverhältnismäßigen Kollateralschäden verstießen, könne unter Berücksichtigung der vertretbaren Bandbreite von Rechtsauffassungen ebenfalls nicht ohne ergänzende Tatsachenfeststellungen entschieden werden.

Keine Zurückverweisung an OVG

Von einer Zurückverweisung an das OVG zur weiteren Aufklärung hat das BVerwG jedoch abgesehen. Auch bei Annahme einer Schutzpflicht der Beklagten gegenüber den Klägern hätte die Bundesregierung die Schutzpflicht jedenfalls erfüllt. Sie sei nicht untätig geblieben, sondern habe im Hinblick auf die sich aus der Einbindung der Air Base Ramstein in die Drohnenangriffe der USA im Jemen ergebenden völkerrechtlichen Probleme entschieden, in Konsultationen mit den USA einzutreten und hierbei auch rechtliche Fragen zu thematisieren, die der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge aufwerfe. In der Folgezeit habe sie diese Konsultationen auf unterschiedlichen diplomatischen und politischen Ebenen fortgesetzt.

Nutzungsverbot für Air Base Ramstein nicht geboten

Schließlich habe Deutschland eine Zusicherung der USA eingeholt, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit geltendem Recht erfolgen. Diese Maßnahmen könnten nicht als völlig unzulänglich qualifiziert werden. Weitergehende Schritte, wie insbesondere die von den Klägern letztlich geforderte Kündigung der völkervertraglichen Grundlagen für die Nutzung der Air Base Ramstein, habe die Bundesregierung wegen der massiven nachteilhaften Auswirkungen für die außen-, bündnis- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht in Betracht ziehen müssen.

BVerwG, Urteil vom 26.11.2020 - 6 C 7.19

Redaktion beck-aktuell, 26. November 2020.