Deutsch­kennt­nis­se rei­chen für Be­kennt­nis zu deut­schem Volks­tum nicht aus

Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che auf dem Ni­veau B1 des Ge­mein­sa­men Eu­ro­päi­schen Re­fe­renz­rah­mens für Spra­chen (GER) be­wir­ken für sich al­lein kein Ab­rü­cken von einem vor­he­ri­gen Be­kennt­nis zu einem nicht­deut­schen Volks­tum. Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in einem Ver­fah­ren ent­schie­den, in dem es um die Er­tei­lung einer Spät­aus­sied­ler­be­schei­ni­gung für eine Staats­an­ge­hö­ri­ge der Rus­si­schen Fö­de­ra­ti­on ging.

Bun­des­ver­wal­tungs­amt ver­neint deut­sche Volks­zu­ge­hö­rig­keit

Die Klä­ge­rin, eine Staats­an­ge­hö­ri­ge der Rus­si­schen Fö­de­ra­ti­on, hatte im No­vem­ber 2013 die Er­tei­lung eines Auf­nah­me­be­schei­des als Spät­aus­sied­le­rin be­an­tragt. Das Bun­des­ver­wal­tungs­amt lehn­te den An­trag unter an­de­rem mit der Be­grün­dung ab, die Klä­ge­rin sei man­gels Be­kennt­nis­ses zum deut­schen Volks­tum keine deut­sche Volks­zu­ge­hö­ri­ge. Denn sie sei in ihrem ers­ten In­lands­pass und in den Ge­burts­ur­kun­den ihrer Kin­der mit rus­si­scher Na­tio­na­li­tät ein­ge­tra­gen.

OVG sieht in Deutsch­kennt­nis­sen Be­kennt­nis zu deut­schem Volks­tum

Wäh­rend Wi­der­spruch und Klage ohne Er­folg blie­ben, hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len in Müns­ter auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin die Be­hör­de zur Er­tei­lung einer Spät­aus­sied­ler­be­schei­ni­gung (§ 15 Abs. 1 BVFG) an die in­zwi­schen in das Bun­des­ge­biet ein­ge­reis­te Klä­ge­rin ver­pflich­tet. Sie stam­me nach ihrer Mut­ter von einer deut­schen Volks­zu­ge­hö­ri­gen ab. Zwar habe sie sich bis zum Ver­las­sen des Aus­sied­lungs­ge­bie­tes nicht aus­drück­lich durch Na­tio­na­li­tä­ten­er­klä­rung zum deut­schen Volks­tum be­kannt. Sie habe aber durch den Er­werb aus­rei­chen­der deut­scher Sprach­kennt­nis­se ein Be­kennt­nis auf an­de­re Weise ab­ge­ge­ben (BeckRS 2019, 29807).

BVer­wG: Kein Ab­rü­cken von Ge­gen­be­kennt­nis al­lein durch Deutsch­kennt­nis­se

Die da­ge­gen ge­rich­te­te Re­vi­si­on der be­klag­ten Be­hör­de hatte Er­folg. Zwar könne durch den Nach­weis deut­scher Sprach­kennt­nis­se auf dem Ni­veau B1 des GER nach der Neu­fas­sung des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG durch das 10. BVFG-Än­de­rungs­ge­setz auf an­de­re Weise ein Be­kennt­nis zum deut­schen Volks­tum er­bracht wer­den. Der bloße Er­werb sol­cher Deutsch­kennt­nis­se rei­che aber nicht, um von einem zuvor aus­drück­lich ab­ge­leg­ten Ge­gen­be­kennt­nis ab­zu­rü­cken, be­fand das BVer­wG.

OVG muss wei­te­re Fest­stel­lun­gen tref­fen

In der An­ga­be einer an­de­ren als der deut­schen Na­tio­na­li­tät ge­gen­über staat­li­chen Stel­len bei der Aus­stel­lung amt­li­cher Do­ku­men­te liege re­gel­mä­ßig ein Be­kennt­nis zu einem nicht­deut­schen Volks­tum, be­to­nen die Bun­des­rich­ter. Für ein ernst­haf­tes Ab­rü­cken von einem sol­chen Ge­gen­be­kennt­nis be­dür­fe es äu­ße­rer Tat­sa­chen, die einen in­ne­ren Be­wusst­seins­wan­del und den Wil­len er­ken­nen las­sen, nur dem deut­schen und kei­nem an­de­ren Volks­tum an­zu­ge­hö­ren. Hier­zu habe das OVG keine hin­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen, so­dass der Rechts­streit zur wei­te­ren Sach­auf­klä­rung und Ent­schei­dung zu­rück­ver­wie­sen wor­den sei.

BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 5.20

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2021.

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