Zahlungen nach dem ContStifG und vom irischen Staat
Der 1962 geborene Kläger lebt in der Republik Irland, deren Staatsangehöriger er ist. Er hat verschiedene körperliche Schädigungen erlitten, weil seine Mutter während der Schwangerschaft ein thalidomidhaltiges Präparat der G. GmbH eingenommen hatte. Seit Oktober 1972 bezieht er deshalb unter anderem laufende monatliche Geldzahlungen, die sogenannte Conterganrente, nach dem Gesetz zur Errichtung der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" (Stiftungsgesetz), das durch das Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) abgelöst wurde. Seit Januar 2013 betrug diese 3.686 Euro. Außerdem erhält er wegen seiner thalidomidbedingten Schädigungen vom irischen Staat monatlich 1.109 Euro. Diesen Betrag rechnet die beklagte Stiftung seit August 2013 unter Verweis auf § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG an und zieht ihn von der dem Kläger zustehenden Conterganrente ab.
BVerwG hält Anrechnung für gleichheitswidrig
Durch das Stiftungsgesetz waren die privatrechtlichen Haftungsansprüche der Geschädigten aus einem 1970 geschlossenen Vergleich mit der Firma Grünenthal in Ansprüche gegen die öffentlich-rechtliche Stiftung umgewandelt worden. Von den über 2.500 Leistungsempfängern lebt etwa ein Zehntel im Ausland. Davon erhält nur ein Teil allein an die Thalidomidschädigung anknüpfende Leistungen des jeweiligen ausländischen Staates. Die gegen die Anrechnung gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Die Anrechnungsregelung, die nach ihrer rechtlichen Zielsetzung Zahlungen ausländischer Staaten erfasst und in ihren tatsächlichen Auswirkungen allein den Teil der ausländischen Geschädigten betrifft, der solche Leistungen bezieht, verstößt nach Überzeugung des BVerwG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Besserstellung ausländischer Geschädigter nicht belegt
Die Ungleichbehandlung, die darin liege, dass die genannte Personengruppe die Conterganrente nur in verminderter Höhe erhält, sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil sie unverhältnismäßig sei. Erklärtes gesetzgeberisches Ziel der Anrechnung sei die Vermeidung von Besserstellungen durch Doppelleistungen derjenigen ausländischen Berechtigten, die wegen der Einnahme von thalidomidhaltigen Präparaten neben der Conterganrente Zahlungen von Anderen erhalten. Hierzu sei die Anrechnung jedoch weder geeignet noch angemessen, weil bereits nicht erkennbar sei, dass sie dieses Ziel erreichen kann, so das BVerwG. Sie berücksichtige nicht Art und Umfang der den Betroffenen in den unterschiedlichen Staaten gewährten allgemeinen Sozialleistungen, ohne die die Gesamtsituation der Betroffenen nicht beurteilt und deshalb eine "Besserstellung" der ausländischen Geschädigten durch Leistungen Anderer nicht sachgerecht belegt werden kann.
Conterganrente und Leistungen ausländischer Staaten nicht vergleichbar
Zudem seien die Conterganrente und die Leistungen der ausländischen Staaten nicht vergleichbar, weil sie unterschiedliche Zwecke verfolgen und sich deshalb kategorial unterschieden. Während die Conterganrente die ursprünglich wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate bestehenden privatrechtlichen Haftungsansprüche fortführt, fehle ein solcher Zusammenhang bei den allein aus Fürsorgegründen erbrachten Zahlungen ausländischer Staaten, die gerade nicht aufgrund einer staatlich übernommenen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit gewährt werden.
Anrechnungsregelung verstößt auch gegen Eigentumsgarantie
Zudem verstößt die Anrechnungsregelung nach Meinung des BVerwG gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG). Ansprüche nach dem Conterganstiftungsgesetz genießen nach der Rechtsprechung des BVerfG schon im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund den Schutz der Eigentumsgarantie. Die Anrechnungsregelung stellt eine unzulässige, weil jedenfalls nicht gleichheitsgerechte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Weil das BVerwG als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.