Beurteilung bei der Bundeswehr: Rechtsvorschriften fehlen

Für Beurteilungen bei der Truppe fehlt nach Ansicht des BVerwG mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt eine rechtliche Grundlage. Wesentliche Fragen müssten im Soldatengesetz geregelt werden. Die bisherigen Regeln sollen für eine Übergangszeit weitergelten.

Ein Bundeswehr-Offizier – nunmehr Oberstleutnant und zuletzt hauptsächlich mit der Qualifizierung und Re-Qualifizierung von Flugsimulationsübungsgeräten beschäftigt – war mit seiner dienstlichen Beurteilung Ende Juli 2021 nicht einverstanden. Seine Beurteilung erfolgte mithilfe eines neuen Beurteilungssystems und fiel im Gesamturteil mit "D " aus. Mit diesem Ergebnis lag der Berufssoldat knapp unter dem Bereich der Spitzengruppe. Der Truppenführer machte gerichtlich geltend, dass sein früherer Vorgesetzter ihm wesentlich bessere Leistungen ("Spitzenleistungen") bescheinigt und eine Leistungsprämie gewährt habe. Dies sei ebenso unzureichend gewürdigt worden wie seine fliegerischen Leistungen und sein Engagement als Ausbilder. Außerdem fehle es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Die Wehrbeschwerde des Offiziers hatte Erfolg.

Die Beurteilung war nach Ansicht des BVerwG inhaltlich rechtswidrig, wobei das Gericht zusätzlich festhielt, dass es derzeit für Beurteilungen bei der Truppe mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt an einer gesetzlichen Grundlage mangelt (Beschluss vom 29.08.2023 – 1 WB 60.22). Das Soldatengesetz (SG) jedenfalls enthalte keine dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügende Ermächtigungsgrundlage für das Beurteilungswesen, so die Begründung der Leipziger Richterinnen und Richter weiter. Nach der neueren beamtenrechtlichen Rechtsprechung müssten die wesentlichen Grundsätze für die Erstellung der Beurteilungen vom parlamentarischen Gesetzgeber bestimmt werden. Dies dürfe er nicht allein der Exekutive überlassen. Dieser Grundsatz gelte auch im Soldatenrecht.

Bisherige Regeln gelten für eine Übergangszeit weiter

Bisherige Regeln zur dienstlichen Beurteilung – wie die Soldatenlaufbahnverordnung nach §§ 2, 3 SLV und die allgemeinen Verwaltungsvorschriften (Allgemeine Regelung A-1340/50) – sollen laut BVerwG für eine Übergangszeit weitergelten. An der früheren Rechtsprechung, die das Fehlen einer gesetzlichen Regelung nicht beanstandet hatte, hält der 1. Wehrdienstsenat aber nicht mehr fest. Die bestehenden Regelungen werden den Anforderungen des Leistungsgrundsatzes gerecht. Ein Ende der Übergangszeit sei absehbar, da inzwischen ein Gesetzesentwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung der Entfernung von verfassungsfeindlichen Soldatinnen und Soldaten aus der Bundeswehr sowie zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften vorliege, der eine Novellierung der §§ 27 und 93 Abs. 1 Nr. 2 SG enthält (BR-Drs. 377/23).

Neu ist auch, dass das BVerwG in Zukunft von einer einheitlichen dienstlichen Maßnahme ausgeht. Eine isolierte gerichtliche Überprüfung der Stellungnahme des Erstbeurteilers oder des Zweitbeurteilers finde nicht mehr statt, da erst nach dem vom Zweitbeurteiler abgegebenen Gesamturteil eine vollständige Beurteilung vorliege.

BVerwG, Urteil vom 29.08.2023 - 1 WB 60.22

Redaktion beck-aktuell, ns, 22. Januar 2024.