Besetzungsrüge muss rechtzeitig erhoben werden

Tritt in einem Verwaltungsgerichtsprozess ein Besetzungsfehler beim Gericht auf, muss der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesen ausdrücklich rügen, bevor er in die mündliche Verhandlung eintritt. Tut er das nicht, verliert er dem Bundesverwaltungsgericht zufolge das Rügerecht. Jedenfalls dann, wenn das Gericht irrtümlich handelte und der Kläger anwaltlich vertreten ist.

Frage zur Einzelrichterin blieb unbeantwortet

In einer Asylsache fragte das Oberverwaltungsgericht Koblenz den Kläger - einen muslimischen Geflüchteten aus Pakistan - nach seinem Einverständnis dafür, das Verfahren auf eine Einzelrichterin zu übertragen. Der reagierte darauf nicht. In der mündlichen Verhandlung bei der Einzelrichterin kam dieser Umstand nicht zur Sprache: Die Richterin ging irrtümlich von seinem Einverständnis aus, und der Prozessbevollmächtigte des Asylsuchenden verhandelte zur Sache, ohne die fehlerhafte Besetzung des Gerichts zu rügen. Nachdem er den Prozess verloren hatte, verlangte der Pakistaner die Zulassung zur Revision unter anderem mit der Begründung, der gesetzliche Richter sei ihm entzogen worden. Das Bundesverwaltungsgericht erteilte ihm jetzt eine Absage.

Besetzungsfehler nicht bemängelt

Die Leipziger Richter lehnten die Nichtzulassungsbeschwerde ab, weil sich der Kläger rügelos auf die mündliche Verhandlung eingelassen hatte. Zwar habe die Besetzung des Gerichts tatsächlich objektiv gegen § 87a Abs. 2 und 3 VwGO verstoßen, weil ohne die Zustimmung des Klägers der gesamte Senat und nicht bloß die Einzelrichterin über die Sache hätte entscheiden müssen. Da aber der Pakistaner, der durch einen Anwalt vertreten wurde, diesen Besetzungsfehler nicht bemängelt habe, sondern einfach in die Verhandlung eingetreten sei, habe er nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 295 Abs. 1 ZPO sein Rügerecht verloren. Die Entscheidung gelte damit als vom korrekt besetzten Gericht gefällt - zumindest in den Fällen, in denen dieses einem Irrtum unterlegen und der Rechtsuchende anwaltlich vertreten ist.

BVerwG, Beschluss vom 06.09.2021 - 1 B 39.21

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2021.