Beliehene juristische Person des Privatrechts als Bundesbehörde

Eine beliehene juristische Person des Privatrechts ist jedenfalls dann eine Bundesbehörde im Sinn der VwGO, wenn sie durch Gesetz in die Bundesverwaltung organisatorisch eingegliedert ist. Wird eine Klage gegen sie vor dem für ihren Sitz zuständigen Verwaltungsgericht erhoben und erklärt dieses sich für unzuständig, ist der Verweisungsbeschluss laut Bundesverwaltungsgericht trotzdem bindend. Ein extremer Rechtsverstoß liege jedenfalls nicht vor.

Kompetenzkonflikt zwischen zwei Verwaltungsgerichten

Eine Herstellerin alkoholfreier Getränkeprodukte, deren Sitz im Verwaltungsgerichtsbezirk Stuttgart liegt, verlangte von der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, eine Bescheinigung der Pfandfreiheit für die Getränkeverpackungen ihres Produkts "PriSecco Cuvée Nr. 11 unreifer Apfel/Eichenlaub“. Die Beklagte - eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Osnabrück - war durch das Verpackungsgesetz mit der Wahrnehmung im Einzelnen aufgeführter hoheitlicher Aufgaben beliehen. Laut Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid des Umweltbundesamtes waren Klagen beim Verwaltungsgericht Osnabrück zu erheben. Dem kam die Klägerin dann auch genauso nach, mit dem Ergebnis, dass sich das dortige VG für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit ans VG Stuttgart verwies. Aber auch dort erklärte man sich für unzuständig und sprach dem Verweisungsbeschluss wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters die Bindungswirkung ab. Zugleich rief das VG Stuttgart das Bundesverwaltungsgericht an, um das zuständige Gericht bestimmen zu lassen.

Bindungswirkung kann nicht abgesprochen werden

Laut BVerwG hat das VG Stuttgart über die auf Einordnung von Einweggetränkeverpackungen als nicht pfandpflichtig gerichtete Verpflichtungsklage zu entscheiden. Zwar hätten die Richter aus der baden-württembergischen Hauptstadt zutreffend dargelegt, dass das VG Osnabrück bei Klageerhebung nach § 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig gewesen wäre. Dem Osnabrücker Verweisungsbeschluss könne aber nicht die Bindungswirkung des § 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG abgesprochen werden. Ein extremer Rechtsverstoß liege nicht vor.

Umfassende organisatorische Eingliederung

Die Beklagte sei sowohl hinsichtlich der Art und Weise ihrer Errichtung als Privatrechtssubjekt als auch hinsichtlich der Überwachung der Aufgabenerfüllung und der Eingriffsbefugnisse des Umweltbundesamtes in besonderer Weise organisatorisch in die Bundesverwaltung eingegliedert (§§ 26 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Satz 1 VerpackG). Diese umfassende rechtliche Eingliederung in die Bundesverwaltung und die bundesweite Tätigkeit rechtfertigten es, sie Bundesbehörden organisationsrechtlich gleichzustellen. Die Ansicht des VG Osnabrück, § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO (örtliche Zuständigkeit bei "mehreren" Verwaltungsgerichtsbezirken) finde auch auf kraft Bundesrecht Beliehene Anwendung, sei noch vertretbar.

BVerwG, Beschluss vom 09.01.2023 - 10 AV 1.23

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2023.