Beiordnung eines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger
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Ein Wahlverteidiger kann als Pflichtverteidiger beigeordnet werden, wenn er sein gegenwärtiges Mandat für den Fall der Beiordnung niedergelegt hat. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung zur Unzulässigkeit bedingter Pflichtverteidigungsanträge aufgegeben. Die Mitwirkung eines Verteidigers müsse aber geboten sein. Dies sei etwa der Fall, wenn einem Soldaten die Aberkennung seines Ruhegehalts drohe.

Disziplinarverfahren gegen möglicherweise extremistischen Soldaten

Ein ehemaliger Soldat wehrte sich gegen die Ablehnung eines Antrags auf Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger. In einem gegen ihn geführten Disziplinarverfahren wegen Verletzung der politischen Treuepflicht teilte ihm das Truppendienstgericht Nord mit, ihm wegen der möglichen Höchstmaßnahme und der schwierigen Beweislage einen eigenen Pflichtverteidiger bestellen zu wollen. Wünsche er einen anderen Juristen, könne er dies mitteilen. Daraufhin beantragte sein aktueller Anwalt seine Bestellung als Pflichtverteidiger; im Fall der Beiordnung lege er das Wahlmandat nieder. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer lehnte den Antrag ab, da eine Pflichtverteidigerbestellung eine fehlende Verteidigung voraussetze. Die bedingt erklärte Niederlegung eines Wahlmandats sei unwirksam und widerspreche § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO. Damit war der Armeeangehörige nicht einverstanden. Die gewählte Vorgehensweise entspreche der ständigen Praxis in strafgerichtlichen Verfahren, so die Begründung. Alles andere wäre sinnlose Förmelei. Das Truppendienstgericht Nord half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem BVerwG vor.

BVerwG: Mitwirkung eines Verteidigers muss geboten sein

Der 2. Wehrdienstsenat gab dem früheren Bundeswehrangehörigen Recht. Er sei einem Soldaten gleichzustellen, der nach § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO "noch keinen Verteidiger gewählt hat". Ihm sei daher sein bisheriger Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen gewesen. Aus Sicht des BVerwG bildet die Erklärung seines Wahlverteidigers, das Mandat automatisch mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger niederzulegen, eine zulässige innerprozessuale Bedingung. Mit der 2019 in Kraft getretenen Neufassung des § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO habe der Gesetzgeber die entsprechende strafgerichtliche Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt. Das BVerwG betont, dass die Mitwirkung des Juristen auch geboten sei, weil dem Soldaten – einem angeblich erkannten Extremisten – in der Anschuldigungsschrift mehrere Verletzungen der politischen Treuepflicht zur Last gelegt worden seien. Aufgrund dieser gravierenden Anschuldigungen könne die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht ausgeschlossen werden. Diese stehe angesichts der einbehaltenen Übergangsbeihilfe und der noch bis Ende März 2022 fortlaufenden Zahlung von Übergangsleistungen in Form einer Aberkennung des Ruhegehalts im Raum.

BVerwG, Beschluss vom 27.04.2021 - 2 WDB 2.21

Redaktion beck-aktuell, 2. August 2021.