BVerwG: Bahnanlagen des Stuttgarter Kopfbahnhofs müssen nach Fertigstellung des Tiefbahnhofs nicht für Dritte nutzbar bleiben

Die Stuttgarter Netz AG, die verhindern wollte, dass die Bahnanlagen des Stuttgarter Kopfbahnhofs nach der Fertigstellung des Tiefbahnhofs ohne vorherige Durchführung eines Stilllegungsverfahrens zurückgebaut werden, ist vor dem Bundesverwaltungsgericht mit ihrer Klage gescheitert. Danach ist die DB Netz AG nicht verpflichtet, Dritten die oberirdischen Anlagen des Kopfbahnhofs nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs zur Weiternutzung anzubieten (Urteil vom 05.07.2018, Az.: 3 C 21.16).

Klägerin will Bahnanlagen des Stuttgarter Kopfbahnhofs weiternutzen

Die Klägerin, die Stuttgarter Netz AG, möchte die Bahnsteige des derzeitigen Kopfbahnhofs und bestimmte dort beginnende Streckengleise nach der Inbetriebnahme des 2005 planfestgestellten Stuttgarter Tiefbahnhofs weiterbetreiben können. Sie forderte vom beklagten Eisenbahn-Bundesamt der DB Netz AG, per Aufsichtsverfügung zu untersagen, die Anlagen des Kopfbahnhofs zurückzubauen, bevor diese im Rahmen eines Stilllegungsverfahrens nach § 11 AEG öffentlich zur Übernahme durch Dritte angeboten worden sind.

VG: Klage bereits unzulässig

Das Verwaltungsgericht (BeckRS 2016, 49831) wies die darauf gerichtete Klage als unzulässig ab. Da der Kopfbahnhof noch jahrelang genutzt werde und deshalb nicht zurückgebaut werden könne, begehre die Klägerin vorbeugenden Rechtsschutz, für den ihr ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse fehle. Der Rückbau der Bahnanlagen erfordere die vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens, in dessen Rahmen die Klägerin ihr Begehren verfolgen könne. Daneben sei kein Stilllegungsverfahren nötig. Dagegen legte die Klägerin Sprungrevision ein.

BVerwG: Klage als Feststellungsklage zulässig

Das BVerwG hat die Sprungrevision zurückgewiesen. Das BVerwG erachtete die Klage allerdings als Feststellungsklage für zulässig. Die Klägerin könne zwar nicht verlangen, dass das Eisenbahn-Bundesamt im Vorgriff auf den beabsichtigten Rückbau der Bahnanlagen eine Aufsichtsverfügung gegen die DB Netz AG erlasse. Sie habe aber ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Klärung, ob die von ihr beanspruchten Anlagen im Rahmen eines Stilllegungsverfahrens Interessenten zur Weiternutzung angeboten werden müssen. Die Übernahmeinteressen könnten in einem Rückbau-Planfeststellungsverfahren nicht verfolgt werden. 

Voraussetzungen für Stilllegungsverfahren aber nicht gegeben

Laut BVerwG ist die Klage aber unbegründet. Keine der Voraussetzungen, unter denen nach § 11 AEG ein Stilllegungsverfahren geboten sei, liege vor. Der Betrieb von Strecken werde nicht eingestellt. Welche Orte eine Strecke kennzeichneten, beantworte sich - wie der Senat bereits entschieden habe (BeckRS 2016, 52185)  - nach der Verkehrsfunktion. Maßgebender Anfangs- und Endpunkt der Strecken sei hiernach der Stuttgarter Hauptbahnhof und nicht der bisherige oberirdische Kopfbahnhof. Sämtliche Verbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof blieben nach den bindenden Feststellungen des VG erhalten. 

Keine Stilllegung eines betriebswichtigen Bahnhofs

Es werde auch nicht ein betriebswichtiger Bahnhof stillgelegt, so das BVerwG weiter. Auch insoweit sei eine funktionale Betrachtung geboten. Der Stuttgarter Hauptbahnhof werde nach dem Umbau mit den bisherigen Verknüpfungsmöglichkeiten als Durchgangsbahnhof in Tieflage weiterbetrieben. Seine Funktionen als betriebswichtiger Bahnhof behalte er bei. Auf die Fortexistenz aller Gleis- oder Bahnhofsanlagen komme es nicht an. Dass die Kapazität einer Strecke gemindert werde, habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Dies sei auch nicht erkennbar.

Keine Stilllegung einzelner Serviceeinrichtungen

Die begehrten Anlagen würden schließlich nicht als einzelne Serviceeinrichtungen stillgelegt. Sie seien vielmehr Teile des fortbestehenden Hauptbahnhofs. Unter diesen Umständen gebe es auch europarechtlich keine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung nicht mehr benötigter Altanlagen.

BVerwG, Urteil vom 05.07.2018 - 3 C 21.16

Redaktion beck-aktuell, 5. Juli 2018.

Mehr zum Thema