BAföG trotz nicht erfüllter Leistungsanforderungen
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Studierende, die den für weitere BAföG-Leistungen über das vierte Fachsemester hinaus erforderlichen Nachweis über den üblichen Leistungsstand nicht erbringen, können ausnahmsweise dennoch Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, wenn das Nichterfüllen der Leistungsanforderungen erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt, so das Bundesverwaltungsgericht.

Streit um Weiterförderung trotz Nichtvorlage erforderlicher "Scheine"

Die Klägerin studiert Pharmazie. Nachdem sie den erforderlichen Nachweis über die Erbringung der üblichen Studienleistungen ("Scheine") bis zum Abschluss des vierten Fachsemesters nicht hatte vorlegen können, beantragte sie beim beklagten Studierendenwerk vergeblich die Fortsetzung der BAföG-Förderung. Die von der Klägerin daraufhin erhobene Klage auf Weiterförderung im fünften und sechsten Fachsemester hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nur bei einem einmaligen Leistungsversagen in Betracht komme. Die Klägerin habe jedoch in den ersten beiden Semestern zwei Leistungsnachweise nicht erbracht, die für die Teilnahme an Veranstaltungen in den beiden Folgesemestern erforderlich gewesen seien und sie an der Erbringung weiterer Leistungsnachweise gehindert hätten.

BAföG-Weitergewährung ausnahmsweise möglich

Die vom VG zugelassene Sprungrevision zum BVerwG, mit der die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt, hatte Erfolg. Zwar sei die Weitergewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Studierende eine Zwischenprüfung nicht bestehen oder – wie hier – die bis zum vierten Fachsemester üblichen Leistungen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG) nicht erbringen. Ausnahmsweise sei aber die Frist zur Vorlage der Leistungsnachweise zu verlängern und weiter Ausbildungsförderung zu gewähren, wenn voraussichtlich eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer zu bewilligen sein wird (§§ 48 Abs. 2, 15 Abs. 3 BAföG).

Zweite Chance nach erstmaligem Nichtbestehen einer Zwischenprüfung

Dies sei nach dem Gesetz jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grund für die Überschreitung vorliegt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG). Einen solchen Grund habe das BVerwG bereits bisher insbesondere dann angenommen, wenn Studierende erstmals eine Zwischenprüfung nicht bestehen und deshalb an der planmäßigen Fortsetzung des Studiums gehindert sind. Sie sollen im Fall des Nichtbestehens der bis zum vierten Fachsemester erforderlichen Leistungsanforderungen, das zu einer erstmaligen Verzögerung des Studiums führt, eine zweite Chance erhalten, den Leistungsrückstand in angemessener Zeit durch Ablegung der entsprechenden Prüfungen aufzuholen. Laut BVerwG greift diese gesetzliche Wertung auch dann, wenn die Nichterbringung sonstiger Leistungsnachweise dazu führt, dass eine planmäßige Fortsetzung des Studiums in einem höheren Semester nicht möglich ist, weil zunächst nicht bestandene Studienleistungen wiederholt werden müssen.

Zahl nicht erbrachter Leistungsnachweise irrelevant

Dabei komme es entgegen der Ansicht des VG nicht darauf an, ob nur ein Leistungsversagen für die Verzögerung ursächlich ist oder ob mehrere nicht erbrachte Leistungsnachweise im Zusammenwirken diese Folge auslösen. Entscheidend sei allein, ob es Studierenden aus studienorganisatorischen Gründen erstmalig objektiv unmöglich ist, die fehlenden Leistungen ohne eine sich auf die Förderungshöchstdauer auswirkende Verzögerung des Studiums zu erbringen. Dies sei hier der Fall gewesen, was zu einer Verlängerung des Grundstudiums der Klägerin um zwei Semester führe, für die Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren gewesen sei.

BVerwG, Urteil vom 03.03.2023 - 5 C 6.21

Redaktion beck-aktuell, 6. März 2023.