Auslesen der Handy-Daten zur Identitätsermittlung von Asylantragstellern oftmals rechtswidrig
© Richtsteiger/stock.adobe.com

Die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, bei Fehlen von Pässen oder Passersatzpapieren Mobiltelefone und andere digitale Datenträger bei der Registrierung von Asylantragstellern auszuwerten, ist rechtswidrig, wenn das Amt sonstige vorliegende Erkenntnisse und Dokumente zur Ermittlung von Identität und Staatsangehörigkeit völlig unberücksichtigt lässt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Asylantragstellerin legt Passersatzpapiere vor

Die Klägerin, ihren Angaben zufolge eine afghanische Staatsangehörige, reiste 2019 ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen. Zum Identitätsnachweis reichte sie unter anderem eine von afghanischen Behörden ausgestellte sogenannte Tazkira (Ausweisdokument ohne biometrische Daten) und eine Heiratsurkunde ein. Das BAMF forderte die Klägerin auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Dem kam die Klägerin nach. Nach kurzfristiger Auslesung und Datenspeicherung erhielt sie das Mobiltelefon zurück.

VG: Anordnung der Herausgabe der Handy-Daten rechtswidrig

Auf ihre Klage hat das VG festgestellt, dass die Anordnung gegenüber der Frau, die Zugangsdaten für ihr Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig und das BAMF nicht berechtigt war, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen, auszuwerten, den aus der Auswertung generierten Ergebnisreport für das Asylverfahren freizugeben und der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde zu legen. Die sonst vorliegenden Erkenntnisse und Dokumente hätten gegenüber der Datenauswertung ein milderes Mittel zur Identitätsfeststellung dargestellt.

BVerwG: Mildere Mittel zur Identitätsermittlung auszuschöpfen

Das BVerwG siegt dies genauso. Die Auswertung digitaler Datenträger zur Ermittlung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers sei erst zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Anordnung, nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann (§ 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG). Im Fall der Klägerin hätten nach den bindenden Feststellungen des VG mildere und damit vom Bundesamt vorrangig heranzuziehende Mittel – hier: Tazkira, Heiratsurkunde, Registerabgleiche und Nachfrage beim Sprachmittler zu sprachlichen Auffälligkeiten – zur Gewinnung weiterer Indizien zur Feststellung von Identität und Staatsangehörigkeit zur Verfügung gestanden. Damit erweise sich die Anordnung als unverhältnismäßig. Entsprechendes gelte für die Auswertung des Datenträgers.

BVerwG, Urteil vom 16.02.2023 - 1 C 19.21

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2023.