Aufgabenbereich von Hochschullehrern nicht unantastbar

Die Wissenschaftsfreiheit schützt eine Universitätsprofessorin nicht davor, dass ihr ein Tätigkeitsbereich an einer Uniklinik entzogen wird, der ursprünglich in ihrer "Funktionsbeschreibung" festgelegt war. Mit dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Medizinerin vorerst mit ihrer Klage dagegen gescheitert, dass ihre bisherige Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung nicht mehr offiziell festgeschrieben ist, seit das Krankenhaus umstrukturiert wurde.

Neue Aufgabenverteilung

Die habilitierte Humanmedizinerin mit der Lehrbefugnis für das Fach "Innere Medizin" war im Jahr 2005 vom einstigen Universitätsklinikum Gießen und Marburg noch kurz vor dessen Privatisierung berufen und dann - schließlich unbe­fristet - verbeamtet worden (Besoldungsgruppe W 2). Nach sechs Jahren beschloss die Klinik, den Arbeitsbereich rund um die Gastroenterologie umzustrukturieren, die Forscherin sollte dabei die Verantwortung für die interdisziplinäre Endoskopie verlieren. Das stieß auch dem Dekan des Fachbereichs Medizin an der Justus-Liebig-Universität sauer auf, wohingegen deren Präsident sich in einem Bescheid an die Medizinerin das neue Konzept zu eigen machte.

VGH: Funktionsbeschreibung übersteht Änderung der Verhältnisse

In dieser Gemengelage zwischen der akademischen und der wirtschaftlichen Sphäre gab der VGH Kassel der Klägerin im zweiten Durchgang - nachdem die Leipziger Bundesrichter ihrer Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben hatten - und damit faktisch zugleich dem Dekan recht: Die Änderung der Funktionsbeschreibung einer Universitätsprofessorin sei ein Verwaltungsakt und die Entscheidung darüber keine beamtenrechtliche, sondern eine hochschulrechtliche Entscheidung. Der vielsagende Tenor: "Die Funktionsbeschreibung ­einer Stelle an einer Hochschule ändert sich nicht dadurch, dass sich die ihr zugrunde liegenden Verhältnisse ändern."

BVerwG sieht Wissenschaftsfreiheit tangiert

Nun versetzte das BVerwG der Frau aber einen Dämpfer. Es hob am 03.02.2021 die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Fall nach Kassel zurück. Die Klage sei nicht als Anfechtungsklage zulässig, die Funktionsbeschreibung stelle keinen Verwaltungsakt dar. Zwar gehört das Hochschulrecht auch nach Ansicht der Bundesrichter zum Landesrecht, das sie in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht überprüfen könnten. Doch liege dem Berufungsurteil des VGH eine "nach allgemeinen revisionsrechtlichen Grundsätzen zu beanstandende Auslegung des Inhalts der Funktionsbeschreibung" zugrunde. Zudem werde der Gewährleistungsgehalt der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG  garantierten und damit auch von dem Leipziger Senat zu beurteilenden Wissenschaftsfreiheit verkannt.

Tätigkeit "nicht unabänderlich"

"Die Tätigkeit eines Hochschullehrers an einer Universitätsklinik ist regelmäßig - wie auch bei anderen Ärzten ohne Wissenschaftsauftrag - in die Krankenversorgung und deren Organisationsstruktur eingeordnet; diese ist nicht unabänderlich", schreibt das BVerwG in seiner Pressemitteilung. Soweit ein Hochschullehrer im Bereich der Krankenversorgung tätig sei, garantiere ihm die Wissenschaftsfreiheit lediglich einen angemessenen Tätigkeitsbereich. Dieser müsse nach Umfang und Inhalt eine hinreichende Grundlage an medizinischen Erkenntnissen dafür bieten, dass er sein Fach in Forschung und Lehre vertreten könne. Die hessischen Oberverwaltungsrichter müssen deshalb jetzt untersuchen, ob der verbliebene Tätigkeitsbereich der Professorin "nach Umfang und Inhalt" noch groß genug ist.

BVerwG, Urteil vom 03.02.2021 - 2 C 4.19

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 4. Februar 2021.