Anfangsverdacht als Voraussetzung einer Durchsuchung

Ein Durchsuchungsbeschluss gegen einen Soldaten setzt den Anfangsverdacht eines Dienstvergehens voraus. Das Bundesverwaltungsgericht betonte, dass die Maßnahme nicht zur Herstellung eines Anfangsverdachts genutzt werden darf. Zudem sei der Beschluss nicht verhältnismäßig, wenn der Wehrdisziplinaranwalt auch erst einmal andere Soldaten hätte befragen können, bevor er derartig schwer in die Grundrechte des Betroffenen eingriff.

Wohnungsdurchsuchung bei Oberstabsgefreiten

Die Wehrdisziplinaranwaltschaft führte gegen einen Soldaten im Rang eines Oberstabsgefreiten Vorermittlungen: Sie verdächtigten ihn, Mitglied einer verfassungsfeindlichen Gruppe innerhalb der Bundeswehr zu sein, die Kameraden körperlich und seelisch misshandelten. Als Indizien lagen Zeugenaussagen vor, wonach der Anführer ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Sonnenstudio 88 – Wir sind braun" getragen habe. Angehörige dieser Gruppe hätten andere Personen als "Fidschi" und "Ziegenficker" bezeichnet, wobei aber nicht das ganze "Wolfsrudel" völkisch-nationale Ansichten vertrete. Die Wehrdisziplinaranwalt beantragte einen Durchsuchungsbeschluss, der auch die Anordnung enthielt, gegebenenfalls Beweismittel zu beschlagnahmen. Der eigentlich zuständige Ermittlungsrichter am Truppendienstgericht führte gerade eine ganztägige mündliche Verhandlung durch, daher leitete seine Geschäftsstelle den Antrag an eine andere Kammer weiter, dessen Vorsitzender die beantragte Anordnung erließ. Die Sachen des Oberstabsgefreiten wurden durchsucht und bei ihm befindliche Datenträger beschlagnahmt. Der Soldat erhob dagegen Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht – mit Erfolg.

Keine Durchsuchung zur Herstellung eines Anfangsverdachts

Der 2. Wehrdienstsenat bekräftigte, dass die Durchsuchung nach § 20 Abs. 1 WDO einen Anfangsverdacht voraussetze. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen lägen gegen den Oberstabsgefreiten lediglich vage Anhaltspunkt und Vermutungen vor. Hier habe die Durchsuchung erst der Herstellung eines solchen Anfangsverdachts dienen sollen. Die Durchsuchungsanordnung verstößt den Leipziger Richtern zufolge auch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil die bisherigen Ermittlungen die Identifizierung von einzelnen Gruppenmitgliedern oder möglicher Geschädigter zulassen. Bevor also derartig schwer in die Grundrechte des betroffenen Soldaten eingegriffen werde, hätte die Wehrdisziplinaranwaltschaft diese Personen ausmachen und befragen können. Außerdem lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass von den Misshandlungen oder anderen Pflichtverletzungen Bild- oder Textdateien existierten. Die Beschlagnahme sei daher rechtswidrig.

Kein Entzug des gesetzlichen Richters

Entgegen der Ansicht des Soldaten wurde die Durchsuchung von dem zuständigen Richter angeordnet. Die Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO, wonach die Eilzuständigkeit "notfalls" bei einem anderen Truppendienstgericht liege, findet dem 2. Wehrdienstsenat zufolge erst dann Anwendung, wenn in dem originär zuständigen Gericht überhaupt kein Richter erreichbar gewesen wäre. Hier sei dem Geschäftsverteilungsplan entsprechend die Erreichbarkeit eines jeden Richters im Gericht geprüft worden, bis es den erlassenden Richter getroffen hätte.

BVerwG, Beschluss vom 10.07.2022 - 2 WDB 11.21

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2022.