Kein Rücktritt von Prüfungen wegen ADHS
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Eine ADHS-Erkrankung stellt prüfungsrechtlich ein Dauerleiden dar und berechtigt deshalb nicht zum Rücktritt von Prüfungen. Die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen sind laut Bundesverwaltungsgericht nicht in absehbarer Zeit heilbar, da eine medizinische Behandlung langwierig ist und nur auf Symptomebene erfolgen kann.

Student tritt nachträglich von Prüfungen zurück

Ein an ADHS erkrankter Student verlangte von seiner Universität die Anerkennung seines Rücktritts von einer Modulprüfung seines Bachelorstudiums (Bachelor of Laws). Er bestand weder die Abschlussprüfung vom September 2011 noch die Wiederholungsversuche vom März 2012 und September 2013. Nachdem seine Erkrankung bei ihm Ende 2012 festgestellt worden war, begab sich der angehende Akademiker in ärztliche Behandlung, nahm Medikamente und absolvierte eine Verhaltenstherapie. Zur selben Zeit trat er von den beiden ersten Prüfungsversuchen zurück und wollte erneut zur Prüfung antreten. Einen Antrag auf Nachteilsausgleich hatte er nicht gestellt. Die Lehranstalt teilte ihm mit, dass er alle drei Prüfungsversuche ausgeschöpft habe. Seine Klage wies das Verwaltungsgericht Arnsberg ab. Die Berufung scheiterte vor dem Oberverwaltungsgericht Nordhein-Westfalen in Münster, weil eine ADHS-Erkrankung als Dauerleiden zu qualifizieren sei und daher nicht zum Rücktritt berechtige. Dagegen legte der Student erfolglos Revision ein.

BVerwG: Dauerleiden berechtigt nicht zum Rücktritt

Das BVerwG stimmte dem Spruch der Münsteraner Kollegen zu: Die Krankheit des Jurastudenten sei nicht in absehbarer Zeit heilbar und die krankheitsbedingten Folgen für sein Leistungsvermögen könnten nicht beseitigt werden. Medikamente bewirkten nur eine zeitlich beschränkte Symptomunterdrückung. Ähnlich wirke eine Psychotherapie. Insofern könne keine Beschwerdefreiheit erreicht werden und damit keine Vergleichbarkeit mit einem zeitweilig kranken Kandidaten.

Nachteilsausgleich unverzüglich geltend zu machen

Den Leipziger Richtern zufolge steht der Einwand des Prüflings, seine Erkrankung an ADHS stelle eine Behinderung dar, diesem Ergebnis nicht entgegen. Aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erwachse kein genereller Anspruch auf Anerkennung eines Rücktrittsgrundes im Fall eines Dauerleidens, weil die hierdurch herbeigeführte Bevorzugung behinderter Prüflinge mit dem Prüfungszweck und dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit kollidiere. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich stehe dem Kandidaten nicht zu, da er diesen hätte unverzüglich nachträglich geltend machen müssen.

BVerwG, Urteil vom 24.02.2021 - 6 C 1.20

Redaktion beck-aktuell, 28. April 2021.