Ehe­mals jü­di­sches Ei­gen­tum: Fa­mi­lie ver­liert ihr Haus nach 85 Jah­ren

85 Jahre lebt eine Fa­mi­lie in einem Haus in Bran­den­burg. Zuvor hatte es zwei jü­di­schen Frau­en ge­hört, die von den Nazis zum Ver­kauf ge­zwun­gen wor­den waren. Jetzt muss die Fa­mi­lie aus dem Haus, ur­teilt das BVer­wG. 

Die jü­di­schen Ei­gen­tü­mer hat­ten das Grund­stück 1932 er­wor­ben und ein Fe­ri­en­do­mi­zil für jü­di­sche Kin­der be­trie­ben. Von den Nazis wur­den sie schlie­ß­lich zum Ver­kauf ge­zwun­gen, beide Be­sit­ze­rin­nen wur­den spä­ter von den Nazis ge­tö­tet. 1939 hatte eine Fa­mi­lie, deren Nach­kom­men jetzt noch dort woh­nen, das Grund­stück von einem Mak­ler ge­kauft und dann über Ge­ne­ra­tio­nen in­ner­halb der Fa­mi­lie wei­ter­ge­ge­ben.

Nun ver­liert die Fa­mi­lie aus Bran­den­burg nach rund 85 Jah­ren das Wohn­haus. Das hat das BVer­wG in Leip­zig ent­schie­den (Ur­teil vom11.12.2024 – 8 C 12.23). Die Rück­über­tra­gung an den Rechts­nach­fol­ger der ur­sprüng­li­chen Be­sit­ze­rin­nen sei rech­tens, hieß es in der Be­grün­dung. Die Re­vi­si­on der 84 Jahre alten Klä­ge­rin und ihres Soh­nes wurde als un­be­grün­det zu­rück­ge­wie­sen. Die Ent­schei­dung ist rechts­kräf­tig.

Es war einer der letz­ten Fälle von Rück­über­tra­gungs- und Ent­schä­di­gungs­an­sprü­chen in Bran­den­burg, die im Kon­text der Wie­der­gut­ma­chung von ver­fol­gungs­be­ding­ten Ver­mö­gens­ver­lus­ten zur NS-Zeit ste­hen. Be­klag­te war das Bun­des­amt für zen­tra­le Diens­te und of­fe­ne Ver­mö­gens­fra­gen (BADV). 2017 hatte die Be­hör­de das Ei­gen­tum an den Grund­stü­cken an die Je­wish Claims Con­fe­rence (JCC) über­tra­gen, wel­che die An­sprü­che für Opfer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus gel­tend macht, die das nicht mehr selbst kön­nen. An sie wird das Haus nun gehen.

Frag­lich war, ob diese Rück­über­tra­gung recht­lich über­haupt mög­lich war, ob­wohl die Klä­ge­rin, als sie das Haus er­hielt, kei­nen Kauf­preis be­zahlt, son­dern sich bei der Über­tra­gung durch ihre Mut­ter in den 1990-er Jah­ren ver­pflich­tet hatte, die­ser ein le­bens­lan­ges Wohn­recht zu ge­wäh­ren, die Kos­ten für Was­ser, Ab­was­ser, Licht und Hei­zung zu über­neh­men und ihre Mut­ter in kran­ken und al­ters­schwa­chen Tagen zu pfle­gen.

Gegen Wohn­recht und Pfle­ge: Ver­fü­gung trotz­dem un­ent­gelt­lich

Das BVer­wG hat ent­schie­den, dass das die Über­tra­gung nicht hin­der­te, der Rück­über­tra­gungs­an­spruch der JCC sei nicht gemäß § 3 Abs. 4 VermG un­ter­ge­gan­gen. Nach der deut­schen Ein­heit hatte die Bun­des­re­gie­rung das Ge­setz zur Re­ge­lung of­fe­ner Ver­mö­gens­fra­gen er­las­sen, wel­ches die Wie­der­gut­ma­chung von Ver­mö­gens­ver­lus­ten im Zwei­ten Welt­krieg und Rechts­nach­fol­gen klä­ren soll­te. Die Vor­schrift des § 3 Abs. 4 VermG grei­fe näm­lich bei un­ent­gelt­li­chen Ver­fü­gun­gen über ein an­mel­de­be­las­te­tes Grund­stück nicht, das Ver­trau­en in einen un­ent­gelt­li­chen Er­werb sei nicht schutz­wür­dig, so die Leip­zi­ger Rich­te­rin­nen und Rich­ter.

Un­ent­gelt­lich in die­sem Sinne seien nicht nur Ver­fü­gun­gen, bei denen der Er­wer­ber keine Leis­tung zu er­brin­gen hat. Viel­mehr sei auch die Ver­fü­gung der Mut­ter der Klä­ge­rin über die Flur­stü­cke un­ent­gelt­lich in die­sem Sinne, da die Klä­ge­rin da­mals kein Über­ga­be­ent­gelt habe zah­len müs­sen, ur­teil­te das BVer­wG. Das Wohn­recht sei keine Ge­gen­leis­tung, weil es im Wohn­haus auf den über­tra­ge­nen Flur­stü­cken zu ge­wäh­ren und im Grund­buch ein­ge­tra­gen sei. Der im Ver­trag an­ge­setz­te Wert der ver­blei­ben­den Leis­tun­gen – Ne­ben­kos­ten­über­nah­me und Pfle­ge – sei im Ver­hält­nis zu dem wegen des Wohn­rechts ge­min­der­ten Wert der Flur­stü­cke mit rund einem Zehn­tel ge­ring­fü­gig.

BVerwG, Urteil vom 11.12.2024 - 8 C 12.23

Redaktion beck-aktuell, pl/zav, 11. Dezember 2024 (ergänzt durch Material der dpa).

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