Einkesselung von Demonstranten bei AfD-Parteitag war rechtens
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Die Polizei durfte Demonstranten, die am Rande eines Parteitags der AfD eine Barrikade errichtet und Pyrotechnik gezündet hatten, einkesseln, sagt das BVerwG. Eine Versammlung sei eben unter dem Grundgesetz nur geschützt, wenn sie friedlich sei.

Art. 8 GG gewährleistet das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Weil dieses Versammlungsrecht ein hohes Gut ist, existiert ein gesondertes Versammlungsgesetz, um Eingriffe hierin zu regeln. Dieses entfaltet eine Sperrwirkung, was bedeutet, dass die Sicherheitsbehörden grundsätzlich nicht aufgrund allgemeinen Polizeirechts Maßnahmen gegen Demonstranten ergreifen dürfen. Diese sogenannte "Polizeifestigkeit" der Versammlung gilt allerdings nur, sofern sie auch tatsächlich friedlich verläuft, stellte das BVerwG am Mittwoch klar (Urteil vom 27.03.2024 - 6 C 1.22).

Die Geschehnisse, die zu dem Verfahren geführt hatten, hatten sich am Rande des Bundesparteitags der AfD vom 30. April bis zum 1. Mai 2016 auf dem Messegelände in Stuttgart zugetragen. Dort hatte ein Aktionsbündnis zu einer Demonstration auf dem Messegelände und einigen Flächen in der Nähe aufgerufen und eine entsprechende Versammlung vorab angemeldet. 13 Busse mit Demonstranten reisten schließlich dazu an. Die Polizei sah sich daraufhin mehreren hundert teils vermummten, in schwarz oder mit weißen Einmalanzügen bekleideten Personen gegenüber. Sie hielten Transparente mit gegen die AfD gerichteten Aussagen hoch und besetzten einen Kreisverkehr in der Nähe des Messegeländes, wo sie Barrikaden errichteten und auch Pyrotechnik zündeten.

Die Polizisten kesselten die Demonstranten, als sich diese auf einer Zufahrtsstraße in Richtung Messegelände weiterbewegten, schließlich ein. Die Beamten zogen die Teilnehmer einzeln aus dem Polizei-"Kessel" heraus, fesselten sie und brachten sie in Bussen zu einer Sammelstelle. Dort fand dann die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung statt. Anschließend wurden die Betroffenen teilweise noch bis in den Abend hinein festgehalten.

Versammlung ja, aber nicht friedlich

Der Kläger in dem Verfahren vor dem BVerwG wollte die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen festgestellt haben und hatte hiermit zunächst vor dem VG Sigmaringen Erfolg. Das Gericht sah die überwiegend auf das allgemeine Polizeirecht gestützten Maßnahmen als rechtswidrig an, da sie aufgrund der Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes nicht hätten ergehen dürfen, ohne die Versammlung zuvor ordnungsgemäß aufzulösen. Auf die Berufung des Landes Baden-Württemberg änderte der VGH Mannheim das Urteil jedoch ab und wies die Klage überwiegend ab. Der VGH sah die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes nicht tangiert, weil es sich bei der Demonstration um eine "Verhinderungsblockade" gehandelt habe, die schon gar keine besonders geschützte Versammlung darstelle. Primärer Zweck sei es schließlich gewesen, die Durchführung des Bundesparteitags mit unfriedlichen Mitteln zu verhindern oder zu stören.

Dem schloss sich das BVerwG zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung an. So hätten die Demonstranten schließlich Transparente hochgehalten und Sprechchöre skandiert, also eine öffentliche Meinungskundgabe betrieben, was das Ganze zu einer Versammlung mache. Gleichwohl sei diese nicht vom Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG umfasst, da dieser nur das Recht gewährleiste, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die hiesige Versammlung habe jedoch einen von Anfang an unfriedlichen Charakter gehabt.

Teilweise revidierte der Senat jedoch auch die Entscheidung des VGH, der diverse Maßnahmen wie die Fesselung des Klägers in der Zeit von seiner Ankunft in der Gefangenensammelstelle, den polizeilichen Gewahrsam bis in den Abend hinein und seinen anschließenden Transport an einen Bahnhof als rechtmäßig beurteilt hatte. Vor dem Hintergrund der der grundrechtlich garantierten Unverletzlichkeit der Freiheit der Person habe der VGH den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, so die Leipziger Richterinnen und Richter. Insoweit hoben sie das Berufungsurteil auf und verwiesen die Sache zurück. Der VGH muss nun die geforderte Sachverhaltsaufklärung betreiben und dann neu über die fraglichen Maßnahmen entscheiden.

BVerwG, Urteil vom 27.03.2024 - 6 C 1.22

Redaktion beck-aktuell, mam, 27. März 2024.