BVer­wG rüf­felt An­wäl­tin: Was man un­ter­schreibt, soll­te man vor­her ge­le­sen haben

Über­liest eine Rechts­an­wäl­tin, dass in ihrer Be­ru­fungs­be­grün­dung noch ver­se­hent­lich Text­bau­stei­ne des vor­an­ge­gan­ge­nen Zu­las­sungs­an­trags ste­hen, kann sie sich nicht mit Hin­weis auf die stets sorg­fäl­tig ar­bei­ten­de An­ge­stell­te ret­ten. Das BVer­wG ver­wei­ger­te mit deut­li­chen Wor­ten die Wie­der­ein­set­zung. 

Ein Stu­dent des Wirt­schafts­rechts schloss seine Ba­che­lor­ar­beit ab und bekam sie un­be­wer­tet zu­rück, weil er sie wohl zu spät ein­ge­reicht hatte. Gegen diese Ent­schei­dung erhob er Wi­der­spruch – al­ler­dings per E-Mail. Die Hoch­schu­le wies den An­trag zu­rück und der Stu­dent erhob er­folg­los die Klage zum VG. Auf sei­nen An­trag hin ließ der VGH die Be­ru­fung zu.

Jetzt un­ter­lief der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten ein Feh­ler: Zum Ab­lauf der Be­ru­fungs­be­grün­dungs­frist sand­te sie einen Schrift­satz, der mit "Be­grün­dung Be­ru­fungs­zu­las­sungs­an­trag" über­schrie­ben war. Auch am Ende stand, dass nach ihrer Ar­gu­men­ta­ti­on dem An­trag auf Be­ru­fungs­zu­las­sung statt­zu­ge­ben sei. Sie ver­sen­de­te die Datei über beA aber als "Be­ru­fungs­be­grün­dung". Erst vier Mo­na­te spä­ter – lange nach Ab­lauf der Be­ru­fungs­be­grün­dungs­frist – fiel ihr der Feh­ler auf und sie kor­ri­gier­te ihn. Vor­sorg­lich stell­te sie einen Wie­der­ein­set­zungs­an­trag und trug vor, dass es ein Feh­ler ihrer sorg­fäl­tig ar­bei­ten­den An­ge­stell­ten ge­we­sen sei. Sie selbst habe eine Be­ru­fungs­be­grün­dung ge­schrie­ben und die feh­ler­haf­te Ein­bet­tung sei ihr bei der Vor­la­ge zur Un­ter­schrift nicht auf­ge­fal­len. Der VGH ver­warf die Be­ru­fung wegen Ver­säum­nis der Be­ru­fungs­be­grün­dungs­frist. Die Re­vi­si­on ließ er nicht zu. Hier­ge­gen wand­te sich der Stu­dent mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de an das BVer­wG – eben­falls ohne Er­folg.

Erst lesen, dann un­ter­schrei­ben!

Der Zu­las­sungs­grund der grund­sätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO werde hier nicht auf­ge­wor­fen: Eine im Vor­feld er­teil­te Wei­sung des Rechts­an­walts hin­sicht­lich des In­halts einer Rechts­mit­tel­schrift ent­bin­det ihn dem BVer­wG (Be­schluss vom 16.09.2024 – 6 B 6.24) zu­fol­ge nicht von der Pflicht, das Ar­beits­er­geb­nis vor der Un­ter­zeich­nung sorg­fäl­tig auf die kor­rek­te Um­set­zung der An­wei­sung zu über­prü­fen. "Was man un­ter­schreibt, soll­te man vor­her ge­le­sen haben", schrie­ben die Bun­des­rich­te­rin­nen und -rich­ter der An­wäl­tin schon im Leit­satz ins Stamm­buch. Diese Frage sei auch be­reits höchst­rich­ter­lich ent­schie­den wor­den. Damit sei die Säum­nis schuld­haft ein­ge­tre­ten. Auch die Di­ver­genz­rü­ge ließ das BVer­wG kalt, eine Ab­wei­chung des VGH von höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung sei nicht er­kenn­bar.  

Die Leip­zi­ger Rich­te­rin­nen und Rich­ter lehn­ten auch die Um­deu­tung der Zu­las­sungs­be­grün­dung in eine Be­ru­fungs­be­grün­dung ab, weil diese Rechts­mit­tel un­ter­schied­li­che Ziele ver­folg­ten und auch in einem Stu­fen­ver­hält­nis zu­ein­an­der stün­den. Je­den­falls sei die Um­deu­tung nach Ab­lauf der Be­ru­fungs­be­grün­dungs­frist aus­ge­schlos­sen. 

BVerwG, Beschluss vom 16.09.2024 - 6 B 6.24

Redaktion beck-aktuell, rw, 9. Oktober 2024.

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