Examensklassiker Baurecht: Kein Kerngebiet, wo zu viele Menschen wohnen

Darf eine Spielhalle in einem Gebiet mit Wohnnutzung genehmigt werden? Das BVerwG hat nun klargestellt: Wohnen dort zu viele Menschen, kann es sich nicht mehr um ein faktisches Kerngebiet handeln, wo solche Etablissements zulässig wären.

Das Baurecht ist – vor allem im zweiten Examen – ein absoluter Klausurklassiker in der juristischen Ausbildung, weshalb Prüfungsämter bei Entscheidungen wie dieser hellhörig werden dürften: Wo eine nicht nur unerhebliche Zahl der Gebäude zu Wohnzwecken genutzt wird, kann kein faktisches Kerngebiet bestehen, das gewerbliche Einrichtungen zulässt, sagt das BVerwG (Urteil vom 20.05.2025 4 C 2.24).

Im zugrunde liegenden Verfahren hatte eine Firma einen Bauvorbescheid für die Nutzung eines Geschäftsgebäudes in der Innenstadt als Spielhalle verlangt. Die Stadt lehnte diesen Antrag ab, auch der Widerspruch des Unternehmens blieb erfolglos. Daraufhin klagte es zunächst erfolgreich, das VG Lüneburg gab der Klage gestützt auf § 34 Abs. 1 BauGB statt. Auch das OVG Lüneburg teilte diese Auffassung im Berufungsverfahren. Das Vorhaben sei gemäß § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO als Vergnügungsstätte zulässig. Die Umgebung um das Gebäude entspreche einem Kerngebiet im Sinne von § 7 BauNVO. Dieses war hier zwar von der Stadt nicht als solches festgesetzt worden, die Gerichte gingen aber von einem sogenannten faktischen Kerngebiet aus.

BVerwG: Ohne Planung der Gemeinde kein faktisches Kerngebiet

§ 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB erlaubt nämlich die Annahme eines faktischen Baugebietes, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete in der BauNVO entspricht. Ein faktisches Kerngebiet ist daher ein unbeplant bebauter Ortsteil, dessen tatsächliche Bebauung und Nutzung dem typischen Bild eines Kerngebiets, wie § 7 BauNVO es beschreibt, ähnelt. Die hier vorhandene Wohnnutzung in der Umgebung spreche nicht dagegen, so das OVG. Zwar dienen Kerngebiete laut BauNVO "vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur" und eben nicht der Wohnnutzung. Diese sei aber nur untergeordnet, befand das Instanzgericht.

Das BVerwG wiederum sah das nun anders und verwies die Sache an das OVG zurück. Ein faktisches Kerngebiet könne nicht dort bestehen, wo eine nicht unerhebliche Wohnnutzung vorliege, befand der Senat. Dies sei nicht mit der Regelungssystematik aus § 7 BauNVO vereinbar. Die Verweisung in § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB auf die faktischen Baugebiete finde dort eine Grenze, wo die BauNVO eine planerische Entscheidung der Gemeinde vorsehe, so die Leipziger Richterinnen und Richter. Würde man nun ein faktisches Gebiet annehmen, wäre der Spielraum der Gemeinde übergangen – aus der BauNVO ergebe sich gerade, dass die Gemeinde über die Wohnnutzung im Kerngebiet zu entscheiden habe.

Unter der Berücksichtigung dieser Maßgaben muss das OVG nun neu entscheiden und ggf. weitere Tatsachen feststellen.

BVerwG, Urteil vom 20.05.2025 - 4 C 2.24

Redaktion beck-aktuell, js, 20. Mai 2025.

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