Ein Beamter drängt eine Praktikantin zu einem gemeinsamen Abendessen und belästigt sie dort mit intimen Fragen und einem unfreiwilligen Wangenkuss: Ein Paradebeispiel für sexuelle Belästigung – aber auch eine im Dienst? Diese Frage stellte sich dem BVerwG im Rahmen einer Disziplinarklage des BND gegen einen seiner Beamten (Urteil vom 01.02.2024 – 2 A 7.23).
Der Mann hatte die Praktikantin, die ihm im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst zugewiesen war, nach Erledigung einer dienstlichen Operation "zum Zwecke der Verschleierung" auf einen Weihnachtsmarktbesuch eingeladen. Nach zwei Stunden und drei bis vier Glühwein – das Gespräch blieb bis dato bei politischen Themen – lud er sie in ein Restaurant ein. Beide kamen überein, dass die Dienstzeit damit für den heutigen Tag beendet sei.
Beim Abendessen plötzlich Fragen zum Sexualleben
Beim gemeinsamen Dinieren änderten sich die Gesprächsthemen auf Betreiben des BND-Beamten nun gravierend: So fragte er die Praktikantin über ihre sexuellen Vorlieben aus, etwa, ob sie eher "doggy" oder "missionary" als Stellung beim Sex bevorzuge. Darauf ging sie ebenso wenig ein wie auf eine Einladung zum gemeinsamen Besuch eines Swinger-Clubs mit ihm und seiner Frau. Doch ihr offen zur Schau gestelltes Desinteresse konnte ihn nicht entmutigen, ebenso wie zwischenzeitliche "Themenwechsel!"-Rufe seiner Gesprächspartnerin. So ergriff er ihre Hand, fragte sie nach ihren bevorzugten Sex-Spielzeugen und zur Verabschiedung umarmte er sie und küsste sie auf die Wange.
Diesen Sachverhalt schilderte die Praktikantin sodann dem zuständigen stellvertretenden Sachgebietsleiter, was schließlich in einem Disziplinarverfahren und einer – nach altem Recht noch notwendigen – Disziplinarklage mündete. Die Behörde beantragte die Rückstufung des Mannes auf das Amt eines Regierungsoberinspektors (Besoldungsgruppe A 10 BBesO).
Der Beamte bestätigte vor Gericht zwar, dass man an jenem Abend über sexuelle Themen gesprochen habe, jedoch habe sich dieses Gespräch "organisch" entwickelt und er habe die Praktikantin nicht bedrängt. Der Senat, der hier als Tatsacheninstanz tätig wurde, schenkte den Schilderungen der Frau und anderer Zeugen, denen sie sich offenbart hatte, jedoch mehr Glauben als dem BND-Mitarbeiter, der angab, sich im Einzelnen nicht an den Gesprächsverlauf mehr zu erinnern.
Bloß formaler Dienstschluss beendet dienstliche Pflichten nicht
Daraus leiteten die Leipziger Richterinnen und Richter auch ein Dienstvergehen des Mannes ab, obwohl das Gespräch formal nach Dienstschluss stattgefunden hatte. Er habe, so der Senat, durch sein Betragen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 61 Abs. 1 S. 3 BBG verletzt. Für unsachliche Äußerungen, die geeignet sind, das kollegiale Dienstverhältnis der Beschäftigten zu beeinträchtigen – insbesondere solche mit sexueller Konnotation – sei im dienstlichen Bereich "kein Raum".
Allerdings: Missverhalten außerhalb des Dienstes ist nur unter hohen Voraussetzungen als Dienstvergehen anzusehen, die hier wohl nicht erfüllt gewesen wären. Der Senat stellte aber klar, dass die Unterscheidung von inner- und außerdienstlichem Verhalten nicht bloß formal betrachtet werden könne, anders gesagt, nicht dadurch geklärt sei, dass die Beteiligten sich offiziell einigen, den Dienst für den Tag zu beenden. Es komme auch darauf an, ob das Vergehen mit dem Amt verknüpft sei.
Dies sah man hier als erfüllt an, da der Beamte die Praktikantin nur durch die "Verschleierungsmaßnahme" – also im dienstlichen Kontext – zu dem gemeinsamen Abend habe bewegen können. Gerade wegen des engen dienstlichen Zusammenhangs und ihrer untergeordneten Stellung als Praktikantin habe sie sich daran gehindert gesehen , "so zu reagieren, wie ich eigentlich hätte reagieren wollen" und das Gespräch zu beenden.
Der Senat sah darin ein mittelschweres Dienstvergehen und rügte besonders das – nicht nur verbal – massiv grenzüberschreitende Verhalten des Mannes sowie die Tatsache, dass er seine hierarchische Überlegenheit ausgenutzt hatte. Folglich stufte das Gericht den Mann in seinem Urteil antragsgemäß um eine Besoldungsstufe zurück und verhängte eine Beförderungssperre von vier Jahren.