41 Monate Überlänge im Verfahren: pauschale Entschädigung trotz niedriger Disziplinarbuße
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Ein Marinekommandant wehrte sich vor dem Truppendienstgericht gegen eine Disziplinarbuße. Weil das Beschwerdeverfahren 61 Monate dauerte, verlangte er eine Entschädigung – mit Erfolg. Das BVerwG hielt eine Pauschale von 4.100 Euro für angebracht - obwohl die Geldbuße nur 2.500 Euro betrug.

Für die ungerechtfertigte Verfahrensüberlänge von 41 Monaten vor dem Truppendienstgericht sprach der 2. Wehrdienstsenat des BVerwG einem Schiffsführer der Marine eine Entschädigung i. H. v. 4.100 Euro zu (Urteil vom 28.8.2024 – 2 WA 1.24). Dabei sahen sich die Leipziger Richterinnen und -richter nicht veranlasst, von dem bei einer überlangen Verfahrensdauer vorgesehenen pauschalen Entschädigungssatz allein deshalb nach § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG abzuweichen, weil der Entschädigungsbetrag von 4.100 Euro die im Ausgangsverfahren streitgegenständliche Disziplinarbuße von 2.500 Euro übersteigt.

In dem Fall war es an Bord eines Versorgungsschiffs der deutschen Marine zu einem Unfall gekommen. Dabei hatte ein Kommandant im Einsatz unabsichtlich einen Schuss abgegeben, der einen Kameraden verletzte. Weder meldete er den Personenschaden noch setzte er den Kontingentführer davon in Kenntnis. Er versuchte sogar, den Leitenden Sanitätsoffizier zu veranlassen, den Vorfall auf der San-Sofort-Meldung nicht zu erwähnen und die Verletzung als "unverfänglich", also harmlos, zu beschreiben. Daraufhin wurde im Juni 2018 gegen ihn eine Disziplinarbuße von 2.500 Euro verhängt.

Truppengericht verwies auf Überlastung

Die Beschwerde des Soldaten wies der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos zurück. Daraufhin legte er im September 2018 eine weitere Beschwerde beim Truppendienstgericht ein, die sein Anwalt jedoch – nach gewährter Verlängerung der Bearbeitungszeit im Januar 2019 – erst vier Monate später begründete.

Dann ging es erst einmal nicht mehr weiter. Insgesamt zog sich das Disziplinarbeschwerdeverfahren aufgrund einer „außergewöhnlichen Belastungssituation“ des Gerichts ganze 61 Monate hin. Auf die wiederholten Nachfragen des Soldaten vertröstete das Gericht ihn mit Verweis auf die Covid-19-Pandemielage sowie zahlreiche andere gerichtlichen Disziplinarverfahren. Im August 2022 und März 2023 erhob der Anwalt des Soldaten Verzögerungsrügen.

Als auch diese nicht weiterhalfen, legte er im August 2023 beim BVerwG eine Entschädigungsklage ein. Wegen einer Überlänge des Verfahrens beim Truppendienstgericht forderte er eine Entschädigung i. H. v. 5.200 Euro (100 Euro pro Tag). Sein Einwand: Das fast 61-monatige weitere Beschwerdeverfahren sei um knapp 52 Monate zu lang gewesen. Denn ein Truppendienstgericht müsse ein Disziplinarbeschwerdeverfahren binnen 9 Monaten erledigen, so die Argumentation.

Im Oktober 2023 hob das Truppendienstgericht die Disziplinarbuße und den Beschwerdebescheid aus formellen Gründen schließlich auf und ordnete an, dass der Betrag zu erstatten sei. Die Rechtsbeschwerde des Verteidigungsministeriums dagegen wies das BVerwG zurück. Die Entschädigungsklage des Kommandanten war nun überwiegend erfolgreich.

4-monatige Verzögerung ging zu Lasten des Marinekommandanten

In Anbetracht der Tatsache, dass der Wehrdienstsenat dem Ausgangsverfahren eine durchschnittliche Schwierigkeit bescheinigte, hätte das Truppendienstgericht das Verfahren im regulären Geschäftslauf an sich binnen eines Jahres, d. h. bis zum 28. September 2019, erledigen müssen, so das BVerwG. Allerdings sei dem Truppendienstgericht eine um 4 Monate längere Bearbeitungszeit zuzubilligen, weil sich der Marinesoldat mit der angekündigten Begründung seiner weiteren Beschwerde übermäßig viel Zeit gelassen habe.

Das BVerwG hielt es in seinem Urteil für geboten, dem Soldaten eine pauschale Entschädigung zukommen zu lassen. Ein Abweichen vom Grundsatz einer pauschalen Entschädigung liege hier nicht vor. Er folge nicht schon daraus, dass der Entschädigungsbetrag von 4.100 Euro die Höhe der im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Disziplinarbuße von 2.500 Euro deutlich übersteige.

BVerwG, Urteil vom 28.08.2024 - 2 WA 1.24

Redaktion beck-aktuell, ns, 30. Oktober 2024.