Der ehemalige Zeitsoldat war Oberleutnant der Reserve. Er wirkte bei dem Aufbau einer Regionalgruppe der Identitären Bewegung in Bayern mit, war auf mehreren Demonstrationen sowie in einem Werbefilm zu sehen. Damit verletzte er die verfassungsrechtliche Treuepflicht gemäß § 8 SG, die für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gelte, entschied das BVerwG (Urteil vom 19.04.2024 - 2 WD 9.23).
Die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. verfolge bereits seit 2015/2016 verfassungswidrige Ziele, so die Richter und Richterinnen. Die Anhörung von Sachverständigen habe ergeben, dass sich das Weltbild der Gruppe seit ihrer Gründung 2012 nicht verändert habe und "in zweierlei Hinsicht mit den Grundprinzipen der freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbar" sei.
Zum einen widerspreche die Ideologie der Identitären dem Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger, der für eine Demokratie essentiell sei. Sie unterscheide Menschen nach einer "ethnisch-kulturellen Identität" und gehe davon aus, dass es Deutsche "erster und zweiter Klasse" gebe. Ziel der Ideologie sei es, dass für die Bewegung nicht ethnisch Deutsche im Wege der sogenannten "Remigration" in ihre Heimatländer zurückkehren, wofür die Parole "Reconquista" (Rückeroberung) verwendet werde. Dieses Konzept des "Ethnopluralismus" führe zur Ausgrenzung von Ausländern, Migrantinnen und Migranten und ethnischen Minderheiten und lasse sich mit dem Anspruch nicht ethnisch deutscher Staatsangehöriger auf gleichberechtigte politische Teilhabe als wesentliches Element des Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 2 GG nicht vereinbaren.
Weiterhin vertrete die Bewegung ein identitäres Demokratieverständnis im Sinne Carl Schmitts. Es diskreditiere den Parlamentarismus und das Mehrparteiensystem – bei einer Identität von Volk und dessen Vertreterinnen und Vertretern könne der "wahre Volkswille ohne diese Institutionen besser verwirklicht werden". Es stehe zwar noch nicht in klarem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die Abschaffung von Parteien und Parlament zu fordern. Es sei auch nicht verboten, das gegenwärtige System umgestalten oder gegen eine plebiszitäre Demokratie ersetzen zu wollen. Die Identitäre Bewegung verlasse aber den Boden des Erlaubten, wenn sie den Parlamentarismus verächtlich mache, ohne aufzuzeigen, wie der Volkssouveränität sonst Rechnung getragen werden soll.
Soldat handelte aus innerer Überzeugung
Das BVerwG kam zu der Überzeugung, der Oberleutnant habe die Programmatik der Identitären Bewegung gekannt und sich ihr aus innerer Überzeugung angeschlossen. Bereits während des Studiums der Staatswissenschaften habe er mit Vertretern der neuen Rechten Kontakt gehabt und unter anderem in der Zeitschrift "Sezession" veröffentlicht, die von dem Mitbegründer der Identitären Götz Kubitscheck herausgegeben wurde. Der Soldat habe auch den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Bewegung aus Studienzeiten gekannt und sei nach Wertung des BVerwG ein "gut informierter Insider". Auch wegen seines Studieninhalts habe er die Inhalte und Ziele der Bewegung bewerten können, weshalb sein Engagement als zumindest bedingt vorsätzlich zu bewertende verfassungswidrige Betätigung einzustufen sei.
Die Höchststrafe, die das Truppendienstgericht Süd aussprach (Urteil vom 05.04.2023, TDG S 8 VL 10/21), war für den zweiten Wehrdienstsenat des BVerwG nicht zu beanstanden. Sie besteht bei einem ausgeschiedenen Zeitsoldaten aus dem Verlust noch offener Übergangsleistungen. Der Soldat büßte somit konkret eine Übergangshilfe von 23.000 Euro ein und ist nicht mehr berechtigt, einen Dienstgrad zu führen. Dies sei bei einer von inneren Überzeugungen getragenen verfassungswidrigen Tätigkeit regelmäßig gerechtfertigt.