Mit Buddel voll Rum auf der Rückbank: Hauptfeldwebel war kein Sicherheitsrisiko

Die Bundeswehr stufte einen Soldaten als Sicherheitsrisiko ein, weil er mit fast 1,6 Promille in seinem Auto gefunden worden war. Laut dem BVerwG hätte die Bundeswehr aber aktiv ermitteln müssen, ob es nicht doch ein Nachtrunk war.

Die zuständigen Stellen der Bundeswehr dürfen eine Einstufung als Sicherheitsrisiko nach § 5 SÜG nicht auf die "allgemeine Lebenserfahrung" stützen. So entschied das BVerwG im Falle eines Soldaten, der nach einer Unfallfahrt schlafend und mit einem Blutalkoholwert von 1,57 Promille aufgefunden wurde. Weder das eingestellte Strafverfahren noch die vermeintlich widersprüchlichen Aussagen des Soldaten in einer Anhörung konnten demnach die Behauptung eines Nachtrunks erschüttern. Die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsministerium hätten eigene Nachforschungen anstellen und Tatsachen ermitteln müssen (Beschluss vom 25.09.2025 – 1 WV 3.25).

Weil er Zugriff auf Flugabwehrraketen und streng geheime Daten bekommen sollte, wurde ein "Netzwerkadministratorfeldwebel" einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Dabei trat ein Vorfall mit der Autobahnpolizei vom Dezember 2019 zutage. An einem frühen Morgen soll der Hauptfeldwebel unsicher und in Schlangenlinien über die Autobahn gefahren sein, Schäden an seiner Karosserie deuteten später auf eine Kollision mit der Mittelleitplanke hin. Zeugen folgten ihm auf einen Rastplatz, wo er sein Fahrzeug über 4 Parkplätze hinweg abstellte. Die Polizei traf um 5.51 Uhr ein und fand den Soldaten schlafend in seinem Fahrzeug vor. Dem Bericht zufolge soll "deutlicher Alkoholgebrauch wahrzunehmen" gewesen sein. Auf der Rückbank: Eine um ein Drittel geleerte Flasche "Captain Morgan".

Ein freiwilliger Atemtest ergab einen Blutalkoholwert von 1,39 Promille, ein Blutalkoholtest zeigte später 1,57 Promille. Dem Soldaten wurde daraufhin vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen einer vermeintlichen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB). Der Soldat schwieg zu der Angelegenheit, die Verteidigung berief sich auf einen fehlenden Tatverdacht: Man müsse zugunsten des Soldaten von Nachtrunk ausgehen. Das Verfahren wurde schließlich nach § 153a StPO gegen Auflagen eingestellt.

Interne Befragung wirft Fragen auf

Bei einer Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) äußerte sich der Soldat im Anschluss näher. Er habe Ärger mit der damaligen Freundin gehabt. Am Steuer sei ein Streit entbrannt, der ihn derart aufgeregt habe, dass er von der Fahrbahn abgekommen sei. Auf dem Parkplatz habe er sich auf seine Rückbank gesetzt, um die dort liegende Flasche "Captain Morgan" zu trinken. Nach ein paar kräftigen Schlucken sei er eingeschlafen, bis ihn die Polizei weckte. Warum diese Flasche überhaupt auf der Rückbank lag, wisse er nicht mehr.

Die zuständigen Stellen der Bundeswehr zweifelten an dieser Geschichte. Der Geheimschutzbeauftragte befragte ihn erneut, weil er sich widersprüchlich verhalten habe: Die Strafakten würden mit "hoher Wahrscheinlichkeit" ergeben, dass er schon am Steuer getrunken hatte. Das habe das Amtsgericht beim Entzug der Fahrerlaubnis zweifelsfrei festgestellt, wenngleich das angrenzende Strafverfahren eingestellt worden sei. Der Soldat erklärte sich erneut, konnte aber eine Einstufung als Sicherheitsrisiko damit nicht abwenden. Zwar sei der genaue Sachverhalt nicht geklärt, die unterschiedlichen Angaben gegenüber Polizei und MAD würden aber genügen, um an seiner Vertrauenswürdigkeit zu zweifeln.

Er wurde schließlich als Sicherheitsrisiko eingestuft, wogegen er im August 2023 Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte. Vor dem BVerwG zeigte jener nun Erfolg.

"Lebenserfahrung" reicht nicht

Der 1. Wehrdienstsenat befand die Einstufung als Sicherheitsrisiko für rechtswidrig. Die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsministerium seien bei der Beurteilung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Weder aus dem eingestellten Strafverfahren noch aus dem vorläufigen Führerscheinentzug habe auf eine Trunkenheitsfahrt geschlossen werden dürfen.

Vielmehr hätten die verantwortlichen Stellen eigene Sachverhaltsermittlungen anstellen und die Erkenntnisse daraus selbstständig einer Beweiswürdigung unterziehen müssen. Der Geheimschutzbeauftragte habe etwa daran gezweifelt, dass zwischen dem Anruf bei der Polizei und dem Eintreffen der Beamten vor Ort nur 25 Minuten verstrichen seien – es sei zweifelhaft, dass der Soldat in diesem kurzen Zeitraum genug Alkohol für einen Blutalkoholwert von 1,57 Promille getrunken habe. Seine Behauptung eines Nachtrunks sei – so der Geheimdienstbeauftragte - daher "schlichtweg unglaubhaft" und "widerspreche jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit". Auch das Bundesministerium habe derartige Zweifel angemeldet. Der Nachtrunk habe demzufolge nur eine Schutzbehauptung dargestellt. "Sämtliche objektivierbaren Tatsachen und äußeren Umstände" sprächen für eine Trunkenheitsfahrt.

Diese Ableitung aus der "Lebenserfahrung" genügte dem Senat indes nicht. So sei näher zu ermitteln gewesen, ob sich der schlagartige Anstieg nicht durch einen sogenannten Sturztrunk habe erklären lassen. Die Anflutungsphase im Alkoholrausch liege zwar zwischen dreißig Minuten und zwei Stunden, das könne aber auch von Person zu Person nach unten hin variieren. Zudem sei die Größe der gefundenen Flasche nicht eindeutig – das gefertigte Foto sei nicht zu den Akten gegeben worden. Zudem könne auch der deutlich höhere – später festgestellte – Blutalkoholwert, darauf schließen lassen, dass es hier zu einem "Sturztrunk" gekommen war. Ohne diese Feststellungen sei die Einstufung als Sicherheitsrisiko insoweit haltlos gewesen. 

BVerwG, Beschluss vom 25.09.2025 - 1 WB 3.25

Redaktion beck-aktuell, tbh, 4. November 2025.

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