Trotz Ab­schie­bungs­ver­bot: Aus­wei­sung aus ge­ne­ral­prä­ven­ti­ven Grün­den mög­lich

Auch bei be­stehen­dem Ab­schie­bungs­ver­bot ist eine Aus­wei­sung von Straf­tä­tern mög­lich. Blei­be­in­ter­es­sen müs­sen dabei je­doch be­rück­sich­tigt wer­den, sagt das BVer­wG.

Eine Aus­wei­sung aus ge­ne­ral­prä­ven­ti­ven Grün­den ist auch dann mög­lich, wenn ein ziel­staats­be­zo­ge­nes Ab­schie­bungs­ver­bot be­steht, sagt das BVer­wG. In die In­ter­es­sen­ab­wä­gung müss­ten dabei auch die Blei­be­in­ter­es­sen der Be­trof­fe­nen ein­flie­ßen, auch wenn eine Ab­schie­bung auf ab­seh­ba­re Zeit nicht voll­zo­gen wer­den könne. Eine iso­lier­te Ti­teler­tei­lungs­sper­re ohne Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot ist nach dem Ur­teil aus Leip­zig indes un­zu­läs­sig (Ur­teil vom 24.03.2025 - 1 C 15.23).

Der Fall be­traf einen ira­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen, der im März 2017 den Flücht­lings­sta­tus in Deutsch­land er­hal­ten hatte. 2019 war er wegen Be­täu­bungs­mit­tel­de­lik­ten zu einer Frei­heits­stra­fe von zwei Jah­ren und drei Mo­na­ten ver­ur­teilt wor­den. Dar­auf­hin hatte das Bun­des­amt für Mi­gra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) im Juni 2020 seine Flücht­lings­an­er­ken­nung wi­der­ru­fen, sub­si­diä­ren Schutz ab­ge­lehnt und gleich­zei­tig ein Ab­schie­bungs­ver­bot be­züg­lich des Irans fest­ge­stellt. Im Juli 2021 hatte die zu­stän­di­ge Be­hör­de den Mann aus dem Bun­des­ge­biet aus­ge­wie­sen, ein auf drei Jahre be­fris­te­tes Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot ver­hängt und sei­nen An­trag auf Ver­län­ge­rung der Auf­ent­halts­er­laub­nis ab­ge­lehnt. Zudem hatte sie ihm die Ab­schie­bung in einen auf­nah­me­be­rei­ten Staat mit Aus­nah­me des Irans an­ge­droht.

Ab­wä­gung im Ein­zel­fall nötig

Das VG ver­pflich­te­te auf seine Klage hin die Be­hör­de zur Er­tei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis wegen des Ab­schie­bungs­ver­bots und wies die Klage im Üb­ri­gen ab. Das OVG wies die Be­ru­fung des Man­nes zu­rück und ver­pflich­te­te die Be­hör­de auf deren Be­ru­fung hin le­dig­lich zur Neu­be­schei­dung des An­trags. Es hielt die Aus­wei­sung aus ge­ne­ral­prä­ven­ti­ven Grün­den für ge­recht­fer­tigt, ob­wohl der Mann nicht ab­ge­scho­ben wer­den könne. Die Ab­schie­bungs­an­dro­hung sei indes man­gels Be­zeich­nung eines Ziel­staa­tes rechts­wid­rig , wes­halb auch das Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot als rechts­wid­rig an­zu­se­hen sei. Eine iso­lier­te Ti­teler­tei­lungs­sper­re sei nicht zu­läs­sig, da hier­für keine Rechts­grund­la­ge be­stehe.

Das BVer­wG be­stä­tig­te im We­sent­li­chen das Be­ru­fungs­ur­teil und wies die Re­vi­sio­nen des Man­nes und der Be­hör­de zu­rück. Es stell­te klar, dass Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der, die wegen eines ziel­staats­be­zo­ge­nen Ab­schie­bungs­ver­bo­tes nicht ab­ge­scho­ben wer­den kön­nen, auch aus rein ge­ne­ral­prä­ven­ti­ven Grün­den aus­ge­wie­sen wer­den dür­fen. In die dabei not­wen­di­ge Ab­wä­gung zwi­schen öf­fent­li­chen In­ter­es­sen an einer Aus­rei­se und dem Blei­be­in­ter­es­se des Be­trof­fe­nen (§ 53 Abs. 1 Auf­en­thG) seien pro­ble­ma­ti­sche Ver­hält­nis­se im Her­kunfts­staat nur ein­zu­stel­len, so­weit sie nicht das Ge­wicht eines ziel­staats­be­zo­ge­nen Ab­schie­bungs­ver­bo­tes er­reich­ten, so der Senat. Blei­be­in­ter­es­sen seien auch dann mit un­ver­min­der­tem Ge­wicht zu be­rück­sich­ti­gen, wenn eine Ab­schie­bung oh­ne­hin wegen eines Ab­schie­bungs­ver­bo­tes auf ab­seh­ba­re Zeit nicht voll­zo­gen wer­den könne.

Iso­lier­te Ti­teler­tei­lungs­sper­re nicht mög­lich

Das Ge­richt be­ton­te, dass unter Gel­tung der Rück­füh­rungs­richt­li­nie (RL 2008/115/EG) kein Raum für ein na­tio­nal­recht­li­ches Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot ohne Rück­kehr­ent­schei­dung be­stehe. Eine Ti­teler­tei­lungs­sper­re sei nur als Rechts­fol­ge eines wirk­sam ver­häng­ten Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bots (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Auf­en­thG) mög­lich; eine iso­lier­te Ti­teler­tei­lungs­sper­re ohne Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot finde da­ge­gen im der­zeit gel­ten­den Auf­ent­halts­recht keine Rechts­grund­la­ge.

Bei einer Ti­teler­tei­lungs­sper­re han­delt es sich um eine Maß­nah­me, die ver­hin­dert, dass einem Asyl­be­wer­ber oder einer Asyl­be­wer­be­rin ein be­stimm­ter Auf­ent­halts­ti­tel er­teilt wird. Diese Sper­re kann wäh­rend des Asyl­ver­fah­rens ver­hängt wer­den, um zu ver­hin­dern, dass die Per­son zwi­schen­zeit­lich einen an­de­ren Auf­ent­halts­ti­tel er­langt, aber auch, wenn sie be­reits aus­ge­wie­sen wurde.

Das BVer­wG stell­te zudem klar, dass, auch wenn eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 25 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 Auf­en­thG wegen einer Straf­tat von er­heb­li­cher Be­deu­tung aus­ge­schlos­sen sei, voll­zieh­bar aus­rei­se­pflich­ti­gen Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­dern eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach Er­mes­sen gemäß § 25 Abs. 5 Auf­en­thG er­teilt wer­den könne.

BVerwG, Urteil vom 24.03.2025 - 1 C 15.23

Redaktion beck-aktuell, mam, 25. März 2025.

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