BVerfG zur Pressefreiheit: Kachelmann-Fotos in "Bild" zum Teil zu Unrecht verboten

"Bild.de" wurde es zu Unrecht verboten, ein Foto des früheren Wettermoderators Jörg Kachelmann zu veröffentlichen, das ihn zur Zeit seines Strafprozesses wenige Meter vom Eingang der Kanzlei seiner Verteidigerin entfernt auf dem Gehweg zeigte. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Das Verbot verletze die Pressefreiheit. Kachelmann habe sich im öffentlichen Raum bewegt und damit rechnen müssen, dass er dort fotografiert wird. Das Verbot weiterer Fotos, die ihn im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin zeigten, sei hingegen nicht zu beanstanden, da er sich hier in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation befunden habe (Beschlüsse vom 09.02.2017, Az.: 1 BvR 2897/14, 1 BvR 790/15 und 1 BvR 967/15).

Zivilgerichte untersagten Veröffentlichung mehrerer Kachelmann-Fotos

Die Beschwerdeführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens im Verfahren 1 BvR 967/15 begleitete den Strafprozess gegen den früheren Wettermoderator Jörg Kachelmann, Kläger der Ausgangsverfahren, mit einer umfangreichen Berichterstattung. Sie illustrierte die Wortberichterstattung unter anderem mit einem Lichtbild des Klägers, das ihn wenige Meter vom Eingang der Kanzlei seiner Verteidigerin entfernt auf dem Gehweg zeigt. Der Kläger machte letztinstanzlich erfolgreich die Unterlassung der Bildberichterstattung geltend. Dagegen wendete sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde. Sie rügte im Wesentlichen die Verletzung ihrer Pressefreiheit. Die Beschwerdeführerinnen in den Verfahren 1 BvR 2897/14 und 1 BvR 790/15 wendeten sich gegen zivilgerichtliche Unterlassungsverfügungen, mit denen ihnen untersagt worden war, den Kläger im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin im Vorfeld des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens abzubilden. Auch sie rügten die Verletzung ihrer Pressefreiheit.

BVerfG: Veröffentlichungsverbot für "Gehweg-Foto" verletzt Pressefreiheit

Im Verfahren 1 BvR 967/15 hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde für begründet erachtet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführerin in ihrer Pressefreiheit. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Schutzgüter müssten die Zivilgerichte das Gewicht der Pressefreiheit bei der Berichterstattung über Ereignisse, die von großem öffentlichen Interesse seien, ausreichend berücksichtigen. Für die Gewichtung der kollidierenden Belange des Persönlichkeitsschutzes sei neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst werde, ob er sich im öffentlichen Raum bewege oder ob sich im privaten Raum oder in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation befinde. Betreffe die Abbildung die Privatsphäre oder eine durch räumliche Privatheit geprägte Situation, sei das Gewicht der Belange des Persönlichkeitsschutzes erhöht.

Kläger bewegte sich im öffentlichen Raum

Laut BVerfG genügen die im Verfahren 1 BvR 967/15 angegriffenen Entscheidungen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Gerichte hätten das Gewicht der Pressefreiheit aufgrund des großen öffentlichen Informationsinteresses nicht ausreichend berücksichtigt. Der Kläger habe nicht die berechtigte Erwartung haben dürfen, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er in Begleitung seiner Verteidigerin abgebildet worden sei. Auch habe er sich nicht in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation befunden, sondern in einem öffentlichen Bereich, in dem er aufgrund der Gesamtumstände damit habe rechnen müssen, dass er dort wahrgenommen wird.

Verbot für "Innenhof-Foto" nicht zu beanstanden

Hingegen hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren 1 BvR 2897/14 und 1 BvR 790/15 für unbegründet erachtet. Die den Entscheidungen zugrundeliegende Abwägung sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts sei erhöht, weil sich der Abgebildete in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation in einem vom öffentlichen Raum nur eingeschränkt einsehbaren Innenhof befunden habe. In dieser Situation, in der sich der Abgebildete im Vorfeld des Prozesses auf privates Gelände zurückgezogen habe, habe er die berechtigte Erwartung hegen dürfen, nicht in den Medien abgebildet zu werden.

BVerfG, Beschluss vom 09.02.2017 - 1 BvR 2897/14

Redaktion beck-aktuell, 15. März 2017.

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