Fernseh-Reporterin scheitert mit Beschwerde wegen Lohndiskriminierung
lohngleichheit_CR_Prostock-studio_adobe
© Prostock-studio / stock.adobe.com
lohngleichheit_CR_Prostock-studio_adobe

Eine Fernseh-Journalistin, die seit Jahren dafür streitet, genauso gut wie ihre männlichen Kollegen bezahlt zu werden, ist mit einer Verfassungsbeschwerde gescheitert, die wegen inhaltlicher Mängel nicht zur Entscheidung angenommen wurde, wie das Bundesverfassungsgericht mitteilte. Es lasse sich nicht überprüfen, ob die Frau bei den Arbeitsgerichten wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe. Inhaltlich machte das Gericht der Journalistin aber Hoffnung.

Erfolgloses Auskunftsverlangen zu Verdienst männlicher Kollegen

Im Ausgangsverfahren verfolgte eine ZDF-Reporterin eines investigativen Politmagazins unter anderem das Ziel, so vergütet zu werden, wie ihre männlichen Kollegen mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit. Dazu erhob sie vor den Arbeitsgerichten auf der ersten Stufe Klage auf Auskunft über den Verdienst männlicher Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit und auf der zweiten Stufe auf die gleiche Vergütung. Das Arbeitsgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Danach trat das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in Kraft. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht stützte die Beschwerdeführerin ihren Auskunftsanspruch hilfsweise auch auf dieses Gesetz, blieb aber erfolglos. Sie habe keinen ersten Anschein für eine Benachteiligung dargelegt, so das LAG. Dazu genüge es nicht, darzulegen und zu beweisen, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Gehalt zahle als einem männlichen Kollegen und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichte. Ein Auskunftsanspruch folge auch nicht aus dem neuen § 10 EntgTranspG, weil die Beschwerdeführerin als arbeitnehmerähnliche Person nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes falle. Nur zu dieser Rechtsfrage ließ das LAG die Revision zu.

Teil-Erfolg vor dem BAG

Auf die Revision der Beschwerdeführerin verurteilte das Bundesarbeitsgericht das ZDF teilweise zur Erteilung der Auskunft. Es verwies den Rechtsstreit im Übrigen an das Landesarbeitsgericht zurück, weil das Entgelttransparenzgesetz auf die Beschwerdeführerin anwendbar sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundesarbeitsgericht als unzulässig und wies die dagegen gerichtete Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil das Bundesarbeitsgericht die Sache nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt hat. Zudem seien die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen nicht mit dem Grundrecht der Gleichheit von Frauen und Männern aus Art. 23 Abs. 1 der Charta der Europäischen Union (GRCh) zu vereinbaren. Darüber hinaus sei sie in ihrem Recht auf Gleichberechtigung aus Art. 3 Abs. 2 und 3 Satz 1 GG verletzt.

BVerfG: Verfassungsbeschwerde genügt nicht gesetzlichen Darlegungsanforderungen

Die Verfassungsbeschwerde hat laut BVerfG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist, weil sie mit Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen genügt. So lasse sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht zuverlässig überprüfen, ob die Beschwerdeführerin alle im Rahmen des fachgerichtlichen Verfahrens eröffneten Möglichkeiten genutzt habe, um der Rechtsverletzung abzuhelfen. Eine solche Möglichkeit bestehe bereits dann, so die Verfassungsrichter, wenn es möglich erscheine, dass die Grundrechtsverletzung vor den Fachgerichten beseitigt wird. Hier habe die Revision der Beschwerdeführerin zur Auskunft über das Vergleichsentgelt Erfolg gehabt. Erhalte sie diese, könnte sie einen Zahlungsanspruch geltend machen, der jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos wäre. Das BAG habe klargestellt, dass ein die eigene Vergütung übersteigendes mitgeteiltes Vergleichsentgelt (Medianentgelt) die Vermutung begründe, es liege eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts vor. Das führe zu der Beweislastumkehr, deren Fehlen vor dem LAG die Beschwerdeführerin rügt.

Fehlende Vorlage an EuGH keine Grundgesetzverletzung

Auch konnte das BVerfG keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die fehlende Vorlage an den EuGH erkennen. Denn das BAG habe keine Sachentscheidung getroffen und es sei nicht ersichtlich, inwieweit die Vorlagepflicht gerade dadurch verletzt worden sein soll, dass die Revision als unzulässig verworfen wurde. Ferner wurden die Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 2 und 3 Satz 1 GG laut BVerfG nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG hinreichend substantiiert. Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung von Art. 23 Abs. 1 GRCh monierten die Verfassungsrichter, dass hier nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt worden sei, dass die Voraussetzungen für eine Überprüfung der angegriffenen Entscheidungen anhand der Unionsgrundrechte vorlagen.

GFF mit Entscheidung zufrieden

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) weist darauf hin, das BVerfG habe betont, dass eine erneute Zahlungsklage auf Basis der zwischenzeitlich erstrittenen Auskunft über die männlichen Vergleichsgehälter Erfolg haben könnte. Eine solche Klage habe sie bereits erhoben. "Die Entscheidung bestätigt, dass die Klägerin ihren wesentlichen Sieg bereits errungen hat: Sie hat die Auskunft über das Vergleichsgehalt ihrer Kollegen schon 2020 erstritten. Ihre erneute Klage auf Gleichbezahlung hält das Bundesverfassungsgericht für erfolgversprechend; dies ist ein deutlicher Wink an die Arbeitsgerichte", sagt Nora Markard, Vorstandsmitglied der GFF.  Das BAG habe in einer Entscheidung aus dem Jahr 2021 bestätigt, dass eine Auskunft über höhere männliche Vergleichsgehälter nach Entgelttransparenz-Gesetz die Vermutung auslöse, dass die Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt sei. Danach sei es am Arbeitgeber zu beweisen, dass die Gehaltsunterschiede nicht auf Diskriminierung beruhen.

BVerfG, Beschluss vom 01.06.2022 - 1 BvR 75/20

Gitta Kharraz, 19. Juli 2022 (ergänzt durch Material der dpa).

Mehr zum Thema