BVerfG: Vorlage zu Sozialhilfeausschluss für EU-Ausländer ohne Aufenthaltsrecht unzulässig

Dürfen EU-Ausländer von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen werden, wenn festgestellt wurde, dass sie kein Aufenthaltsrecht haben, diese Feststellung aber noch nicht bestandskräftig ist? Das Sozialgericht Darmstadt zweifelt daran mit Blick auf die Verfassung und rief daher im Rahmen einer Richtervorlage das Bundesverfassungsgericht an. Dieses hat die Vorlage nun für unzulässig erklärt. Die Vorlage sei unzureichend begründet. Das SG habe bereits nicht dargelegt, dass das geltende Recht in der hier konkret zu entscheidenden Situation nicht so hätte ausgelegt werden können, dass die Leistung vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit nicht ausgeschlossen ist (Beschluss vom 26.02.2020, Az.: 1 BvL 1/20).

Noch keine Entscheidung über Klage gegen Verlust des Freizügigkeitsrechts

Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrt eine rumänische Familie im Wege des Eilrechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Ausländerbehörde hatte den Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern und die daraus folgende Ausreisepflicht festgestellt. Über die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.

SG: Leistungsausschluss mangels Bestandskraft der Feststellung über Verlust des Freizügigkeitsrechts verfassungswidrig

Nach Ansicht des SG ist der Ausschluss von Ausländern von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, soweit solche Unionsbürger vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen seien, bei denen das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt, diese Feststellung aber noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei (BeckRS 2020, 668). Das SG rief daher das BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle an.

BVerfG: Vorlage unzureichend begründet

Das BVerfG hat die Vorlage des SG für unzulässig erachtet. Ihre Begründung entspreche nicht den Anforderungen des BVerfGG. Die Vorlage übergehe mehrere Fragen zur Verfassungswidrigkeit und zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar seien und ohne deren Klärung das BVerfG in diesem Verfahren nicht entscheiden könne. Das SG lege nicht hinreichend dar, dass das geltende Recht in der hier konkret zu entscheidenden Situation nicht so hätte ausgelegt werden können, dass die Leistung vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit nicht ausgeschlossen ist.

BVerfG, Beschluss vom 26.02.2020 - 1 BvL 1/20

Redaktion beck-aktuell, 4. März 2020.