BVerfG: Verschärfte Spielhallenregulierung in Berlin, Bayern und im Saarland verfassungskonform

Die schärferen Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen im 2012 geänderten Glücksspielstaatsvertrag und in den gesetzlichen Regelungen der Länder Berlin, Bayern und des Saarlandes sind verfassungskonform. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 07.03.2017 entschieden und die Verfassungsbeschwerden von vier Spielhallenbetreiberinnen zurückgewiesen. Das Verbundverbot, die Abstandsgebote, die Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen und die Aufsichtspflicht seien zur Suchtprävention gerechtfertigt. Auch die Übergangsregelungen seien nicht zu beanstanden (Az.: 1 BvR 1314/12, 1 BvR 1874/13, 1 BvR 1694/13 und 1 BvR 1630/12).

Strengere Regulierung von Spielhallen durch Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag

Die Befugnis zum Erlass von Gesetzen zum Recht der Spielhallen steht seit der Föderalismusreform von 2006 den Ländern zu. Der von den Ländern 2008 geschlossene Glücksspielstaatsvertrag enthielt zunächst keine spezifischen Regelungen für Spielhallen, weshalb die vom Bund erlassenen Vorschriften zur Regulierung der Spielhallen weiter zur Anwendung kamen. Nachdem die Umsätze bei Spielautomaten außerhalb von Spielbanken deutlich gestiegen waren und Untersuchungen das erhebliche Gefahrenpotential des gewerblichen Automatenspiels belegten, verschärften die Länder 2012 mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag die Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen.

Verbundverbot, Abstandsgebot und Übergangsregelungen

Zur Regulierung des Spielhallensektors wurde insbesondere ein Verbundverbot eingeführt, nach dem eine Spielhalle mit weiteren Spielhallen nicht in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sein darf. Zudem ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten (Abstandsgebot). Spielhallen, denen vor Erlass der neuen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und der spielhallenbezogenen Landesgesetze bereits eine gewerberechtliche Erlaubnis erteilt worden war, müssen, um weiter betrieben werden zu können, die verschärften Anforderungen innerhalb bestimmter Übergangsfristen erfüllen. Die vier Beschwerdeführinnen betreiben Spielhallen in Berlin, in Bayern und im Saarland. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wendeten sie sich gegen die landesgesetzlichen Vorschriften zur Regulierung des Spielhallensektors. Sie rügten im Wesentlichen die Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG).

BVerfG: Länder für Spielhallenregulierung ausschließlich zuständig

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Sie seien zum Teil bereits unzulässig. Im Übrigen seien sie unbegründet, da die angegriffenen Neuregelungen verfassungsgemäß seien. Die Länder hätten die ausschließliche Zuständigkeit für das Recht der Spielhallen, das die Befugnis zur Regelung der gewerberechtlichen Anforderungen an den Betrieb und die Zulassung von Spielhallen umfasse. Der Gesetzgebung des Bundes komme aus dessen Zuständigkeit für das Bodenrecht und das Recht der öffentlichen Fürsorge keine Sperrwirkung zu.

Verbundverbot und Abstandsgebote dienen Suchtprävention sowie Kinder- und Jugendschutz

Laut BVerfG sind die mit den angegriffenen Vorschriften zur Zulassung und zum Betrieb von Spielhallen verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen gerechtfertigt. Das Verbundverbot und die Abstandsgebote seien mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Regelungen dienten mit der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel. Zweck des Verbundverbots und des Abstandsgebots zu anderen Spielhallen seien die Begrenzung der Spielhallendichte und damit eine Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen. Das Abstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche diene der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht und solle einem Gewöhnungseffekt entgegenwirken. Diese Einschätzungen des Gesetzgebers seien nicht offensichtlich fehlerhaft.

Konsequente Ausrichtung am Ziel der Spielsuchtbekämpfung

Das BVerfG sieht das Verbundverbot und die Abstandsgebote mit Blick auf die unter staatlicher Beteiligung betriebenen Spielbanken auch hinreichend konsequent auf das legitime Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet. Auch für Spielbanken sähen die Länder umfangreiche Spielerschutzvorschriften vor. Zudem sei die Anzahl der Spielbanken in den Ländern gesetzlich begrenzt, wodurch sie aus dem Alltag herausgehoben seien. Die Länder hätten jedoch auch in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass die Reduzierung der Zahl der Spielhallen nicht durch eine Ausweitung des Automatenspiels und eine Vermehrung der Standorte von Spielbanken konterkariert werde.

Verbundverbot und Abstandsgebote zur Spielsuchtbekämpfung geeignet

Das BVerfG erachtet das Verbundverbot und die Abstandsgebote auch für verhältnismäßig. Sie seien ein geeignetes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht jedenfalls förderten. Die Einschätzung der Geeignetheit durch die Gesetzgeber der Länder sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. So sei plausibel, dass gerade Mehrfachkomplexe durch die Vervielfachung des leicht verfügbaren Angebots zu einem verstärkten Spielanreiz führen. Mit dem Abstandsgebot werde eine Reduzierung der für die Ansiedelung von Spielhallen zur Verfügung stehenden Standorte und eine Begrenzung der Spielhallendichte bewirkt, was zu einer Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen beitrage.

Erforderlichkeit und Angemessenheit ebenfalls gegeben

Ein milderes, gleich effektives Mittel ist laut BVerfG nicht ersichtlich. Insbesondere seien rein spieler- oder gerätebezogene Maßnahmen keine gleich wirksamen Mittel zur Bekämpfung und Verhinderung von Spielsucht. Das Zutrittsverbot für Minderjährige habe nicht die gleiche Wirksamkeit wie das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen, da es den Werbe- und Gewöhnungseffekt nicht gleichermaßen verringert. Verbundverbot und Abstandsgebote seien auch angemessen. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Eingriffe und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe wahrten die gesetzlichen Regelungen insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit und belasteten die Betroffenen nicht übermäßig.

Reduzierung der Gerätehöchstzahl und Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson verfassungskonform

Laut BVerfG sind auch die mit der Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen und der Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson einhergehenden Eingriffe in die Berufsfreiheit gerechtfertigt. Mit der Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen verfolge der Gesetzgeber das Ziel der Suchtprävention durch Reduzierung der Anreize zu übermäßigem Spielen in den Spielhallen. Die Regelung sei zur Erreichung dieses Ziels geeignet, da der Landesgesetzgeber davon ausgehen durfte, dass Anreize für die Spieler zum fortgesetzten Spielen in Spielhallen umso geringer sind, je weniger Geräte sich dort befinden. Die Reduzierung der Gerätehöchstzahl sei auch erforderlich und belaste Spielhallenbetreiber nicht übermäßig. Zwar liege es nahe, dass sich die Reduzierung der Höchstzahl der Geldspielgeräte negativ auf die Rentabilität von Spielhallen auswirkt. Eine bestimmte Rentabilität gewährleiste der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch nicht. Die Pflicht zur Anwesenheit einer Aufsichtsperson, die das Erkennen problematischen Spielverhaltens und eine unmittelbare Einflussnahme darauf ermöglichen solle, diene ebenfalls dem besonders wichtigen Gemeinwohlziel der Suchtprävention und sei verhältnismäßig.

Keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Spielbanken und Gaststätten

Die angegriffenen Neuregelungen bewirkten auch keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung von Spielhallenbetreibern gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt seien. Zwar würden Spielhallenbetreiber durch die angegriffenen Vorschriften gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten ungleich behandelt, da Spielhallen Beschränkungen unterworfen würden, die für den Betrieb von Spielautomaten in Spielbanken und Geldspielgeräten in Gaststätten nicht gölten. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch gerechtfertigt. Ein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung liege in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential und in der unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten.

Fünfjährige Übergangsfrist für Bestandsspielhallen nicht zu beanstanden

Schließlich erachtet das BVerfG auch die von den Beschwerdeführerinnen angegriffenen Übergangsregelungen für verfassungsgemäß. Die fünfjährige Übergangsfrist für Bestandsspielhallen greife zwar in die Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber ein, sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sie werde dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gerecht, da sich die wesentlichen Parameter der Auswahlentscheidung in Konkurrenzsituationen zwischen Bestandsspielhallen den Spielhallengesetzen in hinreichendem Maße entnehmen lassen.

Vertrauensschutzgrundsatz verleiht kein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung von Investitionen

Die fünfjährigen Übergangsregelungen seien auch mit dem in Art. 12 GG enthaltenen Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar. Dieser verleihe weder im Hinblick auf die vorherige Rechtslage noch auf die vorhandenen Spielhallenerlaubnisse ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen. Auch ein in umfangreichen Dispositionen betätigtes besonderes Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts begründe grundsätzlich noch keinen abwägungsresistenten Vertrauensschutz. Auch diesbezüglich sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Belange der Spielhallenbetreiber seien mit der Einräumung einer fünfjährigen Übergangsfrist genügend berücksichtigt, zumal die Länder die Möglichkeit von Härtefallbefreiungen im Einzelfall geschaffen hätten.

Einjährige Übergangsregelung ebenfalls verfassungskonform

Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch die einjährige Übergangsregelung für nach dem 28.10.2011 genehmigte Bestandsspielhallen ist dem BVerfG zufolge ebenfalls mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Unterscheidung zwischen ein- und fünfjähriger Übergangszeit diene legitimen Gemeinwohlzielen und trage auch dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hinreichend Rechnung. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung und der erteilten Erlaubnisse sei spätestens mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz über den Glücksspieländerungsstaatsvertrag beseitigt oder zumindest erheblich herabgesetzt worden. Das Abstellen auf die Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis für diese Unterscheidung sei ebenfalls verfassungsgemäß. Da die von der einjährigen Übergangsfrist betroffenen Spielhallenbetreiber bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis nicht mehr auf den Fortbestand der alten Rechtslage hätten vertrauen können, erweise sich die Übergangsregelung auch als verhältnismäßig. Dem Gesetzgeber sei es auch durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zu der möglichst effektiven Bekämpfung der Glücksspielsucht durch eine möglichst schnelle Reduzierung des Spielhallenangebots eine an Vertrauensschutzgesichtspunkten orientierte Staffelung der Übergangsfristen mit einer Stichtagsregelung zu wählen.

Verfahrensabtrennung

Das BVerfG weist darauf hin, dass es das Verfahren abgetrennt hat, soweit die Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin nachträglich auf das Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin sowie die im Jahr 2016 neu eingefügten Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin erstreckt wurde. Das Verfahren werde einer gesonderten Entscheidung zugeführt.

BVerfG, Beschluss vom 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12

Redaktion beck-aktuell, 11. April 2017.