BVerfG verhängt Missbrauchsgebühr wegen Täuschung über unmittelbar bevorstehende Abschiebung nach Afghanistan

Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag eines abgelehnten Asylbewerbers auf Eilrechtsschutz gegen seine drohende Abschiebung nach Afghanistan mit Beschluss vom 14.09.2017 abgelehnt. Zugleich hat es dem Anwalt des Antragstellers wegen Täuschung über das unmittelbare Bevorstehen der Abschiebung eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.600 Euro auferlegt (Az.: 2 BvQ 56/17).

Eilrechtsschutz gegen Abschiebung nach Afghanistan begehrt

Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste 2011 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2013 abgelehnt. Seine dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Am 11.09.2017 beantragte er beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die drohende Abschiebung abzuwenden. Das VG lehnte den Eilantrag ab. Dem Antrag fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller selbst die besondere Eilbedürftigkeit zu vertreten habe. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet.

Anwalt machte falsche Angaben über drohende Abschiebung

Am 12.09.2017 übermittelte der Anwalt des Antragstellers zwischen 15.20 Uhr und 18.45 Uhr einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit zahlreichen Anlagen per Fax an das BVerfG. Darin wurde insbesondere vorgetragen, dass eine Abschiebung noch am 12.09.2017 bevorstehe. Am 13.09.2017 teilte der Anwalt auf Nachfrage mit, dass er bereits am Morgen des 12.09.2017 erfahren habe, dass der Antragsteller untergetaucht sei. Eine Abschiebung des Antragstellers sei nicht erfolgt.

BVerfG: Verfassungsbeschwerde wäre nach derzeitigem Stand unzulässig

Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Denn eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre nach dem derzeitigen Stand des vom Antragsteller vorgelegten Materials unsubstantiiert, weil wesentliche Unterlagen bisher nicht vorgelegt und die Lebensumstände des Antragstellers nur in unzureichenden Ansätzen geschildert worden seien. Auch im Übrigen fehle es bisher an einer hinreichenden Begründung dafür, dass der angegriffene Beschluss Verfassungsrecht verletzt.

Annahme fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses durch VG allerdings unvertretbar

Das BVerfG macht aber deutlich, dass die Annahme des VG, dem Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar sei. Vielmehr sei die besondere Eilbedürftigkeit in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Durchführung einer Abschiebung regelmäßig eine Folge davon, dass der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden darf (§ 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG).

Missbrauchsgebühr gegen Anwalt wegen grob irreführender Angaben verhängt

Laut BVerfG war dem Anwalt des Antragstellers wegen grob irreführender Angaben eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.600 Euro aufzuerlegen. Dieser habe seit dem Morgen des 12.09.2017, also vor Antragstellung beim BVerfG, gewusst, dass sein Mandant untergetaucht war, sodass die dem Antragsteller bestandskräftig angedrohte Abschiebung tatsächlich nicht würde stattfinden können. Auf diese Umstände habe der Anwalt das BVerfG jedoch nicht hingewiesen. Er habe vielmehr sowohl durch seine Schriftsätze als auch durch zahlreiche Anrufe den Eindruck erweckt, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan unmittelbar bevorstand.

Täuschung besonders gewichtig

Das BVerfG bewertet diese Täuschung als besonders gewichtig, weil es durch die Sache zu einer Zeit in Anspruch genommen worden sei, in der wegen einer unmittelbar bevorstehenden Sammelabschiebung mit dringlichen Rechtsschutzbegehren anderer Betroffener zu rechnen gewesen sei. Hätte der Anwalt für den Fall, dass sein Mandant noch im Laufe des 12.09.2017 aufgegriffen worden wäre, Vorsorge treffen wollen, hätte er unter Beifügung relevanter Unterlagen ein eilbedürftiges Rechtsschutzbegehren ankündigen können, ohne einen Antrag bereits zu stellen.

BVerfG, Beschluss vom 14.09.2017 - 2 BvQ 56/17

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2017.

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