Höhere Zusatzrente erst ab Mitteilung der Verpartnerung gezahlt
Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhalten nach Renteneintritt regelmäßig eine Zusatzversorgung über die VBL. Diese wurde bei Eheleuten nach deren günstigeren Steuerklasse berechnet, wenn sie nach § 56 Abs. 1 Satz 4 der Satzung der VBL in der damals geltenden Fassung (VBLS a. F.) einen entsprechenden Antrag stellten. Der Beschwerdeführer bezieht seit 1998 eine solche Zusatzrente, der die für Unverheiratete geltende Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt worden war. Er begründete im Jahr 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft, worüber er die VBL im Oktober 2006 unterrichtete, und beantragte 2011 eine Neuberechnung seiner Rente ab dem Zeitpunkt der Verpartnerung wie für Eheleute. Die VBL leistete daraufhin eine Nachzahlung nur für den Zeitraum ab der Mitteilung über die Verpartnerung, da für die Zeit zuvor ein Antrag fehle. Die Klage auf eine höhere Zusatzrente für die Zeit davor blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
BVerfG: Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die angegriffenen Urteile verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie für die Zeit vor November 2006 einen Anspruch auf Neuberechnung der Rente unter Verweis auf den fehlenden Antrag verneinten. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete die allgemeine Gleichbehandlung. Dabei verschärften sich die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung umso mehr, je weniger die Merkmale, an die sie anknüpfe, für die Betroffenen verfügbar seien und je mehr sich diese Merkmale den in dem besonderen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich benannten Merkmalen annäherten. Das sei bei der Ungleichbehandlung von Menschen in einer Ehe und in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft der Fall, denn sie knüpfe an das personenbezogene Merkmal der sexuellen Orientierung an. Daher gelte für die Prüfung, ob eine Ungleichbehandlung zwischen verheirateten und verpartnerten Personen zu rechtfertigen ist, ein strenger Maßstab.
Uneingeschränkte Anwendung des Antragserfordernisses diskriminierend
Wendeten die Gerichte die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS a. F., wonach nur auf Antrag für die Zusatzrente die für Ehepaare geltende günstigere Steuerklasse zugrunde gelegt werde, uneingeschränkt auf verpartnerte Versicherte an, benachteilige das den Beschwerdeführer in nicht gerechtfertigter Weise, so das BVerfG. Zwar scheine es formal gleich, sowohl verheiratete als auch verpartnerte Anspruchsberechtigte an einen Antrag zu binden. Tatsächlich sei die Situation der Betroffenen jedoch in dem hier streitigen Zeitraum in einer Weise unterschiedlich gewesen, dass die formale Gleichbehandlung tatsächlich eine Ungleichbehandlung in der Sache bewirkt.
Antragserfordernis erst mit Rechtsprechungsänderung 2009 erkennbar
Das BVerfG erläutert, dass im Unterschied zu Eheleuten verpartnerte Versicherte nach damals geltendem Recht nicht hätten erkennen können, dass sie ebenso wie Eheleute einen Antrag hätten stellen müssen. Die Regelung zum Antragserfordernis habe für sie schon nach dem Wortlaut nicht gegolten, denn eine Rentenberechnung auf Grundlage der günstigeren Steuerklasse sei nur für Verheiratete vorgesehen gewesen. Zudem seien Rechtsprechung und Fachliteratur damals mehrheitlich der Auffassung gewesen, eine Gleichstellung zugunsten des Beschwerdeführers mit der Ehe sei nicht geboten. Geändert habe sich dies erst mit dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009 (BVerfGE 124, 199). Erst dann sei für verpartnerte Versicherte erkennbar gewesen, dass eine Regelung, die sich auf Eheleute bezogen habe, auch auf sie Anwendung finden würde, und auch sie einen Antrag stellen müssten, um die daran gebundenen positiven Wirkungen zu erreichen.
Verhalten der VBL zwar nicht treu- oder pflichtwidrig
Laut BVerfG ist der VBL hier zwar nicht vorzuwerfen, sie habe sich treuwidrig verhalten oder es pflichtwidrig unterlassen, verpartnerte Versicherte über die Möglichkeit einer Antragstellung umfassend informiert zu haben. Sie habe ebenso wie der Beschwerdeführer damals davon ausgehen dürfen, dass verpartnerte Versicherte keine Zusatzrenten erhalten würden. Das bedeute jedoch nicht, dass ein aus der damaligen Ungleichbehandlung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft entstandener Nachteil für die Betroffenen fortgeschrieben werden dürfte.
Rente aber rückwirkend anzupassen
Werde ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot festgestellt, folge daraus vielmehr grundsätzlich die Verpflichtung, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß zu gestalten, betont das BVerfG. Eine auf den Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zurückwirkende Gleichbehandlung verpartnerter und verheirateter Personen lasse sich nur erreichen, indem auf einen entsprechenden kurz danach gestellten Antrag hin, der entweder - wie hier - bereits vor dem Beschluss vom 07.09.2009 oder zeitnah danach gestellt wurde, die Rente auch rückwirkend angepasst wird. Daher könne der Beschwerdeführer hier verlangen, dass seine Versorgungsrente unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 rückwirkend auf den Zeitpunkt der Begründung seiner eingetragenen Lebenspartnerschaft neu berechnet wird.