Klagen waren erfolglos
Das Bundesministerium des Innern hatte auf Grundlage des Vereinsgesetzes sechs Vereine verboten. Grund war im Fall "Farben für Waisenkinder e.V", dass dieser die Hisbollah, eine Organisation, die nach Begründung des Ministeriums Gewalt in das Verhältnis von Völkern hineinträgt, durch die Weiterleitung von Spenden mittelbar unterstützte. Die Tätigkeit des Regionalverbandes "Gremium Motorcycle Club Sachsen" und vier seiner Ortsgruppen ("Chapter") laufe den Strafgesetzen zuwider, was insbesondere ein von Mitgliedern gemeinsam begangenes versuchtes Tötungsdelikt belege. Die Klagen gegen die Verbote waren erfolglos.
Kein Verstoß gegen grundrechtliche Anforderungen
Wie schon in den Verfahren, die der Senatsentscheidung vom 13.07.2018 (BeckRS 2018, 18810 u.a.) zugrunde lagen, sind nach Auffassung des BVerfG auch die hier angegriffenen Entscheidungen der zuständigen Verbotsbehörden und der Fachgerichte mit den grundrechtlichen Anforderungen vereinbar. Der durch das Verbot bewirkte Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG sei gerechtfertigt. Wer als Verein beziehungsweise Vereinigung nach Art. 9 Abs. 1 und 2 GG geschützt wird, sei in der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 VereinsG im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Wertungen umschrieben. Danach ist ein Verein jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG erstreckt sich ein Vereinigungsverbot auch auf alle Teilorganisationen, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, also auf solche Einheiten, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung des Vereins erscheinen.
Vereinigungsfreiheit unterliegt Schranken
Art. 9 Abs. 2 GG setzt der Vereinigungsfreiheit eine Schranke, wenn sich die Vereinigung gegen bestimmte Rechtsgüter von hervorgehobener Bedeutung richtet oder diesen zuwiderläuft, nämlich gegen die der Strafgesetze, die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Nur diese ausdrücklich aufgeführten Gründe rechtfertigen das Verbot als weitestgehenden Eingriff in die Vereinigungsfreiheit und sind in der Auslegung nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit eng zu verstehen, ein Verbot also nur zu rechtfertigen, wenn es erforderlich ist, weil keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.
Teil einer völkerverständigungswidrigen Organisation
Das BVerwG folgere aus einer Gesamtschau von Indizien, dass es sich bei der von dem Verein "Farben für Waisenkinder e.V." geförderten Stiftung um einen untrennbaren Teil der Hisbollah handelt, die als völkerverständigungswidrige Organisation anzusehen ist, da sie mit der Hamas, die ihrerseits als völkerverständigungswidrige Organisation anzusehen ist, Gewalt in das Verhältnis zwischen den Völkern trage. Das Gericht durfte nach Ansicht des BVerfG davon ausgehen, dass diese finanzielle Förderung objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung auch schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Die Selbstdarstellung der Stiftung und Äußerungen von führenden Hisbollah-Mitgliedern sowie personelle Verflechtungen zwischen der Stiftung und der Hisbollah tragen nach Ansicht des BVerfG die Annahme, dass die unstreitig in großem Umfang unterstützte Stiftung ein integraler Bestandteil der Hisbollah ist, deren sozialer, politischer und militärischer Teil untrennbar zusammenhängen. Das BVerwG stütze sich auch nicht nur auf generelle Vorteile, die ausgelöst werden könnten, wenn karitative Einrichtungen und Vereine mit sozialer Zwecksetzung in tatsächlich terroristisch kontrollierten Gebieten unterstützt werden, was nicht genügen würde, um einen Verein zu verbieten, der Spenden in solche Krisengebiete weiterleitet.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt
Das BVerwG verkenne im Ergebnis damit auch nicht, dass ein Vereinigungsverbot mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur dann vereinbar ist, wenn die Verbotsgründe die Vereinigung tatsächlich prägen oder ihr prägend zuzurechnen seien. Das Gericht nenne zahlreiche Hinweistatsachen, wonach dem Beschwerdeführer die Umstände bekannt waren, die wegen seiner finanziellen Zuwendungen an die Stiftung den Vorwurf der Unterstützung der Hisbollah begründen, und wonach sich der Beschwerdeführer mit der Hisbollah und den aufgezeigten völkerverständigungswidrigen Aktivitäten auch identifiziert hat. Damit sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
Vereinsbegriff weit auszulegen
Das BVerwG gehe in seiner Entscheidung zum "Gremium Motorcycle Club" im Einklang mit der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass der Vereinsbegriff weit auszulegen ist. Das trage der Vereinigungsfreiheit Rechnung, da eine Vereinigung nur unter den engen, aber auch präventiv zu verstehenden Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 GG verboten werden dürfe, wodurch ein solcher Zusammenschluss weitergehenden Schutz genieße.
Ganz bestimmte formale Organisation einheitlicher Leitung nicht erforderlich
Die Annahme des BVerwG, dass eine nicht formal geregelte, sondern auf faktischer Unterwerfung beruhende autoritäre Organisationsstruktur für eine vom Willen des einzelnen Mitglieds losgelöste organisierte Gesamtwillensbildung ausreiche, sei verfassungsrechtlich tragfähig. Schon zugunsten der Freiheit, sich in unterschiedlicher Form zusammenzuschließen, dürften die Anforderungen an die organisierte Willensbildung nicht zu hoch sein. Es komme grundsätzlich auch nicht darauf an, dass eine ganz bestimmte formale Organisation einheitlicher Leitung gegeben ist, was der Gesetzgeber bewusst nicht so geregelt habe, sondern es sei ausschlaggebend, dass eine einheitliche Willensbildung vorliege. Das BVerwG habe insofern plausibel dargelegt, dass die "Regionen" als Regionalverbände als Vereine zu qualifizieren sind. Eine Gesamtschau könne neben der Satzung auf die organisatorische Struktur, auf regelmäßige Sitzungen und auf die Wahl von Regionalsprechern als eigenen Organen mit eigenen Befugnissen abstellen.
Rolle des Präsidenten spricht für Verbandsstruktur
Die Bewertung der Regionalverbände nicht nur als lockere Zusammenschlüsse, sondern als Verbandsstruktur werde durch Unterlagen aus dem Umfeld des Vereins ebenso wie durch die starke Rolle des Präsidenten als gleichzeitigem Sprecher der Region und seiner Entscheidungspraxis getragen. Im Ergebnis begegne daher die auf der Einordnung als Teilorganisationen beruhende Erstreckung des Verbots auf die Ortsgruppen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Tatbestand der Strafrechtswidrigkeit erfüllt
Auch die weiteren Anforderungen an ein Vereinigungsverbot aus Art. 9 Abs. 2 GG seien nicht verkannt worden. Das BVerwG habe nachvollziehbar dargelegt, dass der "Gremium Motorcycle Club Sachsen" den Tatbestand der Strafrechtswidrigkeit erfüllt habe. Es müsse nicht konkret nachgewiesen werden, dass eine Straftat in ihrer Ausführung auf der Regionalebene so geplant oder befürwortet worden sei. Doch müsse nachvollziehbar und unter kritischer Würdigung der Zeugenaussagen und sonstiger Beweismittel dargelegt werden, dass mit dem Regionalsprecher als prägender Führungsperson der Vereinigung über eine "angemessene" Reaktion gesprochen worden sei und dieser auch über Reaktionen entschieden habe.
Verbot nicht an Verurteilungen gebunden
An strafrechtliche Verurteilungen sei das Vereinigungsverbot als eigenständiges Mittel des präventiven Verfassungsschutzes gerade nicht gebunden. Insoweit stehe mit den Anforderungen des Art. 9 GG auch in Einklang, hier zu fordern, dass der "Gremium Motorcycle Club Sachsen" sich zumindest nachträglich glaubhaft von der von eigenen Mitgliedern begangenen schweren Straftat hätte distanzieren und die notwendigen Schritte zur Aufklärung des Vorfalls und zur Ergreifung vereinsinterner Maßnahmen gegen die Verantwortlichen einleiten müssen. Geschehe das nicht, könne davon ausgegangen werden, dass die Vereinigung durch das strafrechtswidrige Handeln geprägt ist, insbesondere wenn Vereinsmitglieder wegen ihrer Tatbeteiligung belohnt oder bei fehlender Mitwirkung sanktioniert worden seien. Auch könne eine einzelne Straftat ein Verbot der Vereinigung rechtfertigen, wenn sie hinreichend schwer wiege. Auch das sei hier der Fall.
Mildere Mittel nicht ersichtlich
Im Ergebnis sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Das BVerwG stelle nachvollziehbar darauf ab, dass das Verhalten seines Regionalsprechers, das dem "Gremium Motorcycle Club Sachsen" zurechenbar sei, die Gefahr weiterer, im Vereinsinteresse liegender Vergeltungsmaßnahmen und Selbstbehauptungen gegenüber konkurrierenden Vereinigungen begründe, was den Charakter der Vereinigung insbesondere angesichts der Schwere der zurechenbaren Straftat präge. Damit sei nicht erkennbar, dass mildere Mittel als das Vereinigungsverbot in Betracht kamen.