Verfassungsbeschwerden gegen Kulturgutschutzregelungen erfolglos
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Mehrere Kunst- und Antiquitätenhändler beziehungsweise Auktionshäuser sind mit Verfassungsbeschwerden gegen Regelungen des am 06.08.2016 in Kraft getretenen Kulturgutschutzgesetzes gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil es an der notwendigen vorherigen fachgerichtlichen Klärung fehle und deshalb die Subsidiaritätsanforderungen nicht erfüllt seien.

Kunst- und Antiquitätenhändler wenden sich gegen Kulturgutschutzregelungen 

Bei den Beschwerdeführerinnen handelt es sich Kunst- und Antiquitätenhändler sowie Auktionshäuser, die sich gegen Regelungen des am 06.08.2016 in Kraft getretenen Kulturgutschutzgesetzes wenden. Die Regelungen betreffen die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern, die Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern sowie das Inverkehrbringen von Kulturgütern und die dabei vom Handel zu beachtenden Sorgfaltspflichten. § 21 Nr. 2 KGSG, § 24 Abs. 1 KGSG verbietet die Ausfuhr jeglichen Kulturguts, das die angeführten Wert- und Altersgrenzen überschreitet. Es besteht jedoch ein Genehmigungsvorbehalt. § 28 KGSG normiert ein strafbewehrtes Einfuhrverbot bei illegaler Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat. Es findet keine Anwendung auf Kulturgut, das sich zum 06.08.2016 rechtmäßig im Bundesgebiet befunden hat, soweit nicht unmittelbar geltende Rechtsakte der EU Abweichendes anordnen. § 21 Nr. 3 KGSG enthält ein Ausfuhrverbot nach einer unrechtmäßigen Einfuhr. § 40 KGSG verbietet das Inverkehrbringen von abhandengekommenem, rechtswidrig ausgegrabenem oder unrechtmäßig eingeführtem Kulturgut und knüpft umfangreiche zivilrechtliche Folgen daran, unter anderem die Nichtigkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften über solches Kulturgut. § 42 Abs. 1 KGSG regelt zudem besondere Sorgfaltspflichten für das gewerbliche Inverkehrbringen von Kulturgut. Die Beschwerdeführerinnen meinen, die Regelungen verletzten sie in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und verstießen gegen ihr Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG beziehungsweise gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Verfassungsbeschwerden unzulässig - Rechtsweg wurde nicht eingehalten

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden als unzulässig verworfen. Das Vorbringen erfülle teilweise bereits nicht die Anforderungen an die eigene Betroffenheit und zeige keinen möglichen Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG auf.  Darüber hinaus wahrten die Verfassungsbeschwerden nicht die Subsidiaritätsanforderungen, von deren Erfüllung die Beschwerdeführerinnen auch nicht deshalb befreit seien, weil sie einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes rügten. Die angegriffenen Regelungen enthielten auslegungsbedürftige und -fähige Rechtsbegriffe, zu deren Auslegung und Anwendung zunächst die Fachgerichte berufen seien.

Fachgerichtliche Auslegung der Vorschriften erforderlich

Zur Klärung der fachrechtlichen Maßstäbe erweise sich zunächst eine fachgerichtliche Auslegung des "zumutbaren Aufwands" gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 KGSG und seiner Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen beim gewerblichen Inverkehrbringen von Kulturgütern (§ 44 KGSG) als notwendig. Auch bestehe fachgerichtlicher Klärungsbedarf für das Merkmal des Abhandenkommens in § 40 Abs. 1 KGSG, das anzuwendende ausländische Fachrecht gemäß § 28 Nr. 1 KGSG, § 30 KGSG sowie die Aufzeichnungspflicht nach § 45 KGSG. Das Ausfuhrverbot mit Genehmigungsvorbehalt aus § 21 Nr. 2 KGSG, § 24 Abs. 1 KGSG erfordere ebenfalls fachgerichtliche Klärung, ohne die nicht zu erkennen sei, ob massive Verzögerungen in einer signifikanten Anzahl von Fällen auftreten, die kurzfristige Ausfuhren unmöglich machten.

Mögliche Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb müssen überprüft werden 

Zunächst geklärt werden müsse zudem, ob die in § 24 Abs. 7 KGSG vorgeschriebene Zehn-Tages-Frist für die Bearbeitung der Ausfuhranträge und die Möglichkeit der Inanspruchnahme von verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz nicht ausreichten, um Beschleunigungserfordernissen des Handels ausreichend Rechnung zu tragen. Den Fachgerichten bleibe auch die Klärung der in den Verfassungsbeschwerden vorgebrachten Befürchtung überlassen, wegen ungewisser oder mangelnder Ausfuhrfähigkeit eines Kulturguts sinke die Nachfrage aus dem Ausland, sodass ein erheblicher Wettbewerbsnachteil im international ausgerichteten Kunsthandel entstehe.

Erfahrungen mit Auswirkungen des Gesetzes nicht geklärt

Ohne eine vorherige fachgerichtliche Prüfung der Erfahrungen seit Inkrafttreten des Gesetzes könne auch nicht beurteilt werden, inwiefern die Beschwerdeführerinnen angesichts der Stichtagsregelungen (§ 29 Nr. 1 KGSG, § 32 Abs. 1 KGSG) durch das Ausfuhrverbot unverhältnismäßig belastet seien. Einer fachgerichtlichen Prüfung der Entwicklung seit Inkrafttreten des Gesetzes bedürfe es letztlich auch im Hinblick auf den wirtschaftlich zumutbaren Aufwand zur Erfüllung der Prüfungspflicht für die Provenienz von Kulturgut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 KGSG.

BVerfG, Beschluss vom 28.06.2021 - 1 BvR 1727/17

Redaktion beck-aktuell, 3. August 2021.