Strafgefangener geht gegen Strom- und Betriebskostenbeteiligung vor
Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Er verfügt in seinem Haftraum über ein eigenes Fernsehgerät, für dessen Betrieb von der Justizvollzugsanstalt Kosten erhoben werden. Im Juni 2016 gab die Justizvollzugsanstalt schriftlich bekannt, dass infolge der Inbetriebnahme einer neuen Satellitenempfangsanlage ab Juli 2016 für jedes in der Justizvollzugsanstalt Straubing betriebene Fernsehgerät monatlich eine "Strom- und Betriebskostenbeteiligung“ von drei Euro erhoben werde. Der Beschwerdeführer ging erfolglos gerichtlich vor Land- und Oberlandesgericht gegen die Abbuchung seines Kostenbeitrags, der sich durch die Neuregelung von 4,50 Euro auf neun Euro im Quartal erhöht hatte, vor. Dabei trug er unter anderem vor, die Justizvollzugsanstalt lege unzulässigerweise einmalige Investitionskosten für eine modernisierte Satellitenanlage als Betriebskosten um, finanziere über die Pauschalen den kostenfrei anzubietenden Grundbedarf und erwirtschafte durch die Erhebung der Pauschalen Einnahmen, die über ihre Ausgaben für den Betrieb der in Frage stehenden Geräte hinausgingen. Die vom Beschwerdeführer eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen die Gerichtsentscheidungen war, soweit er eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG rügt, laut BVerfG zulässig und offensichtlich begründet.
Recht auf wirksame gerichtliche Kontrolle verletzt
Art. 19 Abs. 4 GG verleihe dem Einzelnen, der behauptet, durch einen Akt öffentlicher Gewalt verletzt zu sein, einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen könne die Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten Interessen nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht. Der Bürger habe einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Zugang zum Gericht dürfe nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Beweislasten dürften nicht in einer Weise zugeordnet werden, die es den belasteten Verfahrensbeteiligten faktisch unmöglich macht, sie zu erfüllen. In strafvollzugsrechtlichen Verfahren müsse das Beweisrecht der spezifischen Situation des Strafgefangenen und den besonderen Beweisproblemen, die sich daraus ergeben können, Rechnung tragen. Diesen grundrechtlichen Anforderungen würden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.
Beteiligung an Stromkosten im Rahmen des Nutzungsumfangs möglich
Nach dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz könnten eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte von Gefangenen zugelassen und den Gefangenen die Betriebskosten auferlegt werden. Gefangene könnten zudem in angemessenem Umfang an den Stromkosten, die durch die Nutzung der in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände entstehen, beteiligt werden. Entsprechende Regelungen fänden sich auch in anderen Landesgesetzen. Dabei sei weitgehend anerkannt, dass sich die Möglichkeit der Auferlegung von Stromkosten auf die Nutzung von Elektrogeräten bezieht, die über den von den Justizvollzugsanstalten kostenfrei zu gewährenden Grundbedarf hinausgehen.
Pauschale Erhebung von Betriebs- und Stromkosten zulässig
Die Erhebung von Betriebs- und Stromkosten als Pauschalen begegne im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, so das BVerfG. Zwar könne eine pauschalierte Abrechnungsweise zu verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlungen führen. Diese könnten jedoch grundsätzlich durch Praktikabilitätserwägungen, hier insbesondere die erheblichen Kosten und Schwierigkeiten einer individuellen Abrechnung im Strafvollzug, gerechtfertigt werden.
Gesamteinnahmen aus Kostenpauschalen dürfen verursachte Kosten nicht übersteigen
Verfassungsrechtlichen Zweifeln begegne es indes, wenn mit der Erhebung von Kostenpauschalen auf der Grundlage von Eingriffsnormen, die eine Kostenbeteiligung Gefangener an Strom- oder Betriebskosten von Elektrogeräten ermöglichen, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Kostenstruktur einer Justizvollzugsanstalt der von Verfassungs wegen zu gewährleistende Grundbedarf oder anderweitige Haftkosten mittelbar (mit)finanziert würden. Dies wäre jedenfalls der Fall, wenn die Gesamteinnahmen aus den erhobenen Kostenpauschalen die durch die in der Eingriffsgrundlage bezeichneten Geräte verursachten Betriebs- oder Stromkosten überstiegen.
LG und OLG legten bestrittene Behauptung der Justizvollzugsanstalt zugrunde
LG und OLG hätten bei der von ihnen vorgenommenen Prüfung gegen den Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle verstoßen, indem sie ihren Entscheidungen ungeprüft die nicht näher belegte und durch den Beschwerdeführer bestrittene Behauptung der Justizvollzugsanstalt zugrunde gelegt hätten, die Einnahmen durch die erhobenen Pauschalen lägen auch nach der Erhebung der neuen Betriebskostenpauschale noch unter den "Kosten des durchschnittlichen tatsächlichen Verbrauchs".