Verfassungsbeschwerde von Hotelgruppe gegen Corona-Beschränkungen unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde einer Hotel-Unternehmensgruppe gegen Einschränkungen in der Corona-Pandemie nicht zur Entscheidung angenommen. Diese sei unzulässig, da eine Grundrechtsverletzung durch die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes nicht schlüssig dargelegt worden sei. Zudem ge­nü­ge die Be­schwer­de nicht dem Sub­si­dia­ri­tätsgrundsatz.

 

Unternehmen machte wirtschaftliche Existenzbedrohung gelten

Die Beschwerdeführenden bestehend aus der Muttergesellschaft, einer Hotelbetriebsgesellschaft in der Unternehmensgruppe und einem Bürgen für Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft machten im Wesentlichen geltend, durch die wegen der COVID-19-Pandemie erlassenen Einschränkungen des Beherbergungs-, Gastronomie- und Veranstaltungsbetriebs ihrer Hotels wirtschaftlich in ihrer Existenz bedroht zu sein. Sie wandten sich gegen § 28a Abs. 1 Nr. 5, 7, 8, 9, 12, 13, 14 und 17 und bei sachgerechter Auslegung auch gegen § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 IfSG in der bis zum 30.06.2021 anwendbaren Fassung, soweit Geimpfte und Genesene hiervon erfasst werden und keine Entschädigungen der Beschwerdeführenden für die Beschränkungen enthalten. Weiter wandten sie sich gegen eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die einen gegen § 5, § 11 Abs. 5, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 sowie § 15 Abs. 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) gerichteten Eilantrag der Beschwerdeführerin zu 2) abgewiesen hatte. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich zudem gegen die in § 15a (InsO) normierte und bis zum 30. April 2021 ausgesetzte Insolvenzantragspflicht, soweit die Insolvenzgründe auf der Pandemie beruhen. Die Beschwerdeführenden rügten im Kern eine Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie eine Beeinträchtigung der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsfreiheit.

Verletzung von Grundrechten nicht ausreichend aufgezeigt

Das Gericht betonte zunächst, dass der Bürge in dem Fall durch keine der angegriffenen Hoheitsakte unmittelbar selbst betroffen sei. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes wende, zeige sie zudem eine Verletzung von Grundrechten nicht ausreichend auf. Es fehlten substantiierte Ausführungen insbesondere dazu, inwieweit die Beschränkungen des Hotelbetriebs der Beschwerdeführenden in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen. Insbesondere gelte dies für die Frage, ob das im Fachrecht als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Eine Verletzung der Berufsfreiheit sei ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere zeigten die Beschwerdeführerinnen nicht auf, dass die angegriffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes oder ihre Anwendung auf geimpfte und genesene Personen unverhältnismäßig sind.

Gesetzeszweck der allgemeinen Kontaktreduzierung

Die Beschwerdeführerinnen würden sich bereits nicht hinreichend substantiiert mit dem Gesetzeszweck der allgemeinen Kontaktreduzierung und den mit einer touristischen Beherbergung verbundenen Risiken nach den Handlungsempfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in der Gesamtkonzeption des Gesetzgebers unter Berücksichtigung dessen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums auseinandersetzen. Auch soweit die Verfassungsbeschwerde rügt, die angegriffenen Regelungen seien unverhältnismäßig, soweit sich diese auf vollständig geimpfte oder genesene Personen beziehen, sind die gesetzlichen Begründungserfordernisse nach Ansicht des BVerfG nicht erfüllt. Es habe sich im gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum gehalten, einen bereits anfänglichen Ausschluss geimpfter und genesener Personen von den Beschränkungen nicht als milderes aber gleich effektives Mittel zu betrachten. Zudem habe der Gesetzgeber mit § 28c IfSG dafür Sorge getragen, dass er auf neue Erkenntnisse reagieren konnte.

Rüge zur Insolvenzantragspflicht ebenfalls nicht genügend begründet

Die Rüge, die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung aufgrund der staatlichen existenzgefährdenden Eingriffe verletze ohne angemessene und ungleich verteilte Entschädigungen die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 und Art. 3 GG, genüge den gesetzlichen Begründungserfordernissen ebenfalls nicht. Es fehle bereits an der erforderlichen sachhaltigen Auseinandersetzung mit der in § 15a InsO normierten Insolvenzantragspflicht und deren Zweck, den Rechtsverkehr vor insolventen Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu schützen. Zudem begründe die Verfassungsbeschwerde nicht, warum der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht reduziert sein sollte.

Mögliche Entschädigungsansprüche aus IFSG fachgerichtlich zu klären

Die Verfassungsbeschwerde laut BVerfG auch dem Grundsatz der Rechtswegerschöpfung und der Subsidiarität nicht gerecht. Die Beschwerdeführerinnen waren gehalten, so das BVerfG, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz in der Hauptsache gegen die auf Grundlage des § 28a IfSG erlassenen Vorschriften der 12. Bayerischen Infektionsschutzverordnung zu suchen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt. Der Verfassungsbeschwerde stehe auch insoweit der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, als geltend gemacht wird, die angegriffenen Regelungen der §§ 28a, 28b IfSG seien mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar, als sie die Beschränkungen entschädigungslos anordneten. In diesem Fall bedarf es nach der Entscheidung des BVerfG grundsätzlich der Klärung, inwieweit das Infektionsschutzgesetz so ausgelegt werden könne, dass es Entschädigungsansprüche bereits enthält. Daher sei vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde auch eine fachgerichtliche Klärung geboten, ob den Beschwerdeführenden Entschädigungsansprüche zustehen. Eine Klärung wäre dabei auch zum Umfang der wirtschaftlichen Auswirkungen der Grundrechtseingriffe unter Berücksichtigung zu erlangender Kompensation aus staatlichen Hilfen möglich.

Rüge in Bezug auf Hilfen-Obergrenze verstößt ebenfalls gegen Subsidiaritätsgrundsatz

Die Verfassungsbeschwerde sei auch unzulässig, soweit sie sich gegen die Versagung des Eilrechtsschutzes durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wende. Der Grundsatz der materiellen Subsidiarität gebiete regelmäßig die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache, wenn Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen. Die gegenständlichen Grundrechtsrügen bezögen sich bereits überwiegend auf die Hauptsache, soweit die Beschwerdeführerinnen ihre Grundrechte dadurch verletzt sehen, dass die Corona-Beschränkungen für rechtmäßig erkannt wurden, ohne dass eine angemessene Entschädigung gesichert wäre. Auch soweit die Beschwerdeführenden geltend machen, die betragsmäßige Obergrenze der staatlichen Hilfsprogramme benachteilige sie als großen Unternehmensverbund in Ansehung der Höhe ihrer monatlichen Verluste gleichheitswidrig gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen, die einen prozentual höheren Ausgleich ihrer Verluste erzielen könnten, sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft sei.

BVerfG, Beschluss vom 10.02.2022 - 1 BvR 1073/21

Redaktion beck-aktuell, 16. März 2022.