Richter scheitert mit Verfassungsbeschwerde zu Streit um sein Arbeitstempo
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Das Bundesverfassungsgericht hat am 11.11.2021 eine Verfassungsbeschwerde als unzulässig abgelehnt, die den im Rahmen der Dienstaufsicht gegenüber einem Richter ausgesprochenen Vorhalt ordnungswidriger Ausführung seiner Amtsgeschäfte und die Ermahnung zur ordnungsgemäßen und unverzögerten Erledigung betrifft. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit durch die angegriffenen Entscheidungen nicht substantiiert dargelegt.

Richter wendete sich gegen Vorhalt zum Erledigungspensum

Der Beschwerdeführer Thomas Schulte-Kellinghaus ist Richter am Oberlandesgericht. Anfang 2012 hatte ihn die damalige OLG-Präsidentin per Bescheid zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnt. Der Vorwurf: Schulte-Kellinghaus unterschreite das Durchschnittspensum seit Jahren "ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche". 2011 habe er so wenige Verfahren erledigt, dass sogar ein Halbtagsrichter im Schnitt mehr schaffe. Schulte-Kellinghaus hatte darin einen Angriff auf seine richterliche Unabhängigkeit gesehen. Um ein höheres Pensum zu schaffen, müsse er seine Rechtsanwendung ändern. Das sei politisch gewünscht, um in der Justiz Ressourcen einsparen zu können. Der Fall hatte schon zwei Mal den BGH als Dienstgericht des Bundes beschäftigt. Schulte-Kellinghaus hatte sogar seine Amtszeit verlängert, um das Verfahren noch vor seinem Ruhestand abschließen zu können. 

BVerfG verwirft Verfassungsbeschwerde als unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Verfassungsbeschwerde als unzulässig abgelehnt. Da der Beschwerdeführer die Regelung des § 26 Abs. 2 DRiG verfassungsrechtlich nicht in Zweifel ziehe, hätte er sich näher mit ihrem Inhalt auseinandersetzen und darlegen müssen, welcher Anwendungsbereich noch bliebe, wenn, wie er meine, die "Sachgerechtigkeit" der Erledigung allein durch die subjektive Überzeugung und persönliche Arbeitsweise des einzelnen Richters bestimmt werde. Er habe zwar ausgeführt, dass der Vorhalt einer "unzureichenden Arbeitsleistung" nur insoweit zulässig sei, als damit keine Einflussnahme auf die richterliche Arbeit verbunden sei. Die Ausführungen setzten sich jedoch nicht mit dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 DRiG und der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Befugnis der Dienstaufsicht auseinander, nicht nur zu "ordnungsgemäßer", sondern auch zu "unverzögerter" Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Der Beschwerdeführer berücksichtige auch nicht, dass das Abstellen auf ein an Durchschnittswerten orientiertes Verständnis von Sachgerechtigkeit unter Wahrung "großzügiger Toleranzbereiche" die richterliche Unabhängigkeit möglicherweise eher schütze als einenge. 

Vorhalt greift nicht in richterliche Entscheidungsfreiheit ein

Zudem habe der Dienstgerichtshof ausgeführt, der Vorhalt sei so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer selbst seine Arbeitsweise reflektieren könne auf etwaige Vorgehensweisen, die ihn unnötig viel Zeit kosteten, ohne dass sich dies auf die Prüfung der einzelnen Fälle oder allgemein die Qualität der Rechtsprechung auswirken könnte. Dies betreffe nicht die eigentliche Rechtsprechung oder Sorgfalt bei der Bearbeitung der Verfahren, sondern beispielsweise organisatorische Aspekte. Auch das Dienstgericht des Bundes habe festgestellt, dass die in dem Vorhalt enthaltene Aufforderung, die Arbeitsweise zu ändern, gerade nicht bedeute, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden oder das Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben. Darüber hinaus lasse der Beschwerdeführer unberücksichtigt, dass er zuletzt vor den Dienstgerichten und auch im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren wiederholt vorgetragen habe, er ziehe nicht in Zweifel, dass seine Kolleginnen und Kollegen am Oberlandesgericht ihre Entscheidungen im vorerwähnten Sinne sachgerecht und an das Gesetz gebunden träfen.

Keine Verletzung von Grundrechten

Im Hinblick auf den Umstand, dass sich der vom Beschwerdeführer beanstandete Vorhalt an der Erledigungsleistung dieser Kolleginnen und Kollegen orientiere, gelinge es dem Beschwerdeführer nicht, nachvollziehbar zu begründen, dass er selbst - anders als seine Kolleginnen und Kollegen - dem Vorhalt nur durch eine Änderung der Rechtsanwendung nachkommen könnte, die von ihm nur unter Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit verlangt werden könnte. Die Möglichkeit einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von Art. 103 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Schließlich zeigt der Beschwerdeführer eine mögliche Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als allgemeines Willkürverbot nicht mit hinreichender Deutlichkeit auf. Das Vorliegen einer in keiner Weise vertretbaren Begründung der angegriffenen Entscheidungen ist nicht ansatzweise dargetan.

BVerfG , Beschluss vom 11.11.2021 - 2 BvR 1473/20

Redaktion beck-aktuell, 23. November 2021 (ergänzt durch Material der dpa).