US-Atomwaffen in Büchel: Anwohnerin fürchtet terroristische Angriffe
Die Beschwerdeführerin wohnt circa 3,5 Kilometer vom Fliegerhorst Büchel entfernt, wo im Rahmen der innerhalb der NATO vereinbarten nuklearen Teilhabe (vermutlich) US-amerikanische Atomwaffen gelagert werden. Mit einem Schreiben an den damaligen Bundesverteidigungsminister schilderte die Beschwerdeführerin ihre Befürchtung, terroristischen Angriffen auf den Fliegerhorst in besonderer Weise ausgesetzt zu sein. Die Nuklearwaffen verstießen gegen Prinzipien des humanitären Völkerrechts. Eine rechtswidrige Kriegsführung von deutschem Boden aus verletze den NATO-Vertrag und die deutsche Verfassung. Aus Art. 25 und 26 GG folge, dass jeder Bürger vom Staat verlangen könne, dass eine von deutschem Boden ausgehende rechtswidrige Kriegsführung unterbunden werden müsse. Der Bundesverteidigungsminister verwies in seinem Antwortschreiben darauf, dass durch infrastrukturelle, technische und organisatorische Maßnahmen ein Höchstmaß an Schutz und Sicherheit für die Einwohner Deutschlands gewährleistet werde.
Klage gegen Atomwaffen-Stationierung blieb ohne Erfolg
Mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln beantragte die Beschwerdeführerin, die Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, gegenüber den USA darauf hinzuwirken, die auf dem Fliegerhorst Büchel gelagerten amerikanischen Atomwaffen abzuziehen. Das VG wies die Klage unter anderem mangels Klagebefugnis als unzulässig ab. Der vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos. Dabei führte das OVG aus, dass Verstöße gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts nicht vorlägen. Unabhängig davon seien die von der Beschwerdeführerin angeführten möglichen terroristischen Handlungen der Bundesrepublik Deutschland nicht zurechenbar und auch nur begrenzt vorherzusehen und zu verhindern.
Beschwerdeführerin rügte Atomwaffen-Lagerung als verfassungswidrig
Mit Ihrer Verfassungsbeschwerde wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die gerichtlichen Entscheidungen und rügte die Stationierung der Atomwaffen, die keine Rechtfertigung in der verfassungsmäßigen Ordnung habe. Sie sah sich dadurch in ihrem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und in der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
BVerfG: Verfassungsbeschwerde zu unsubstantiiert
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie mangels hinreichender Substantiierung unzulässig sei. Die Gefahren, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin von den in Büchel stationierten Atomwaffen ausgingen, könnten einen Grundrechtseingriff nicht begründen. Eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG setze einen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbaren Eingriff oder zumindest eine eingriffsgleiche Gefährdung voraus.
Risiko terroristischer Anschläge Deutschland nicht zurechenbar
Laut BVerfG kann das Risiko terroristischer Anschläge der deutschen Staatsgewalt nicht zugerechnet werden, weil die Bedrohung der geschützten Rechtsgüter Leben und Eigentum von Dritten ausgehe, insbesondere von terroristischen Vereinigungen. Könne der Staat auf den Geschehensablauf keinen Einfluss nehmen, könne ihm dieser verfassungsrechtlich nicht als Folge eigenen Verhaltens zugerechnet werden. Die Verantwortlichkeit der an das Grundgesetz gebundenen öffentlichen Gewalt, und damit auch der Schutzbereich der Grundrechte, endeten daher grundsätzlich dort, wo ein Geschehen in seinem wesentlichen Verlauf von einer fremden Macht nach ihrem von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet werde.
Verletzung von Schutzpflichten des Staates nicht dargelegt
Auf eine Verletzung von Schutzpflichten des Staates gegenüber seinen Bürgern könne sich die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht berufen, so das BVerfG weiter. Sie habe nicht dargelegt, dass allein der Abzug der Atomwaffen geeignet wäre, die Gefahren terroristischer Angriffe oder Unglücksfälle abzuwenden. Sie trage selbst vor, dass die Bundesrepublik Deutschland Schutzvorkehrungen getroffen habe. Aus ihrem Vortrag ergebe sich nicht, dass diese gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären.
Keine unmittelbare Betroffenheit aufgrund der Wohnortnähe
Das BVerfG fährt fort, dass die Beschwerdeführerin auch die für eine Verfassungsbeschwerde erforderliche unmittelbare Betroffenheit nicht habe darlegen können. Sie wohne zwar nur 3,5 Kilometer von dem Flugplatz entfernt. Die Beschwerdeführerin unterscheide sich insoweit aber nicht von der unüberschaubar großen Zahl von Anwohnern und Nutzern vieler im Bundesgebiet vorhandener gefährdeter sowie gefährlicher Einrichtungen, die mit ähnlichen existenzbedrohenden oder -vernichtenden Folgen zum Ziel terroristischer Angriffe werden könnten.
Art. 25 GG eröffnet keine Popularklage abweichend von Art. 19 Abs. 4 GG
Auch soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 25 GG berufe, sind die angegriffenen Entscheidungen nach Ansicht des BVerfG nicht zu beanstanden. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts seien Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinn von Art. 2 Abs. 1 GG und gingen den einfachen Gesetzen vor. Rechte und Pflichten für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugten sie nach Art. 25 Satz 2 Halbsatz 2 GG unmittelbar allerdings nur, soweit sie einen hinreichenden Individualbezug aufwiesen. Art. 25 GG eröffne keine Popularklage abweichend von Art. 19 Abs. 4 GG.
Beschwerdeführerin in Schutzbereich allgemeiner Völkerrechtsregeln nicht einbezogen
Voraussetzung für die Berufung auf eine aus Art. 25 Satz 2 Halbsatz 2 GG subjektivierte allgemeine Regel des Völkerrechts ist laut BVerfG vielmehr, dass der Betroffene Träger der individuellen hochrangigen Rechtsgüter sei, zu denen die Norm einen engen Bezug habe, und dass er in deren Schutzbereich einbezogen sei. Zudem müsse er geltend machen, gerade durch das mutmaßlich völkerrechtswidrige Verhalten deutscher Staatsorgane unmittelbar in diesen Rechtsgütern betroffen zu sein. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich. Die von der Beschwerdeführerin benannten Normen des humanitären Völkerrechts, etwa das Gebot, zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung zu unterscheiden, und das Gebot, keine unnötigen Leiden zu verursachen, schützten Personen, die unmittelbar mit Kampfhandlungen konfrontiert seien. Das sei bei der Beschwerdeführerin offenkundig nicht der Fall.
Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz ebenfalls nicht ausreichend dargelegt
Schließlich führt das BVerfG aus, dass die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz nicht hinreichend dargelegt habe. Art. 19 Abs. 4 GG garantiere keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der öffentlichen Hand, sondern treffe eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz. Die Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht hätten deshalb die Zulässigkeit der verfahrensgegenständlichen allgemeinen Leistungsklage zu Recht von einer Klagebefugnis abhängig gemacht und deren Vorliegen zutreffend verneint.