Verfassungsbeschwerde gegen Höhergruppierung gerichtlicher Servicekräfte gescheitert
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Das Land Berlin und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder sind mit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Eingruppierung in eine höhere Entgeltstufe des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), die zwei Justizangestellte in Serviceeinheiten eines Amtsgerichts gerichtlich erstritten hatten, vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das Land sei nicht beschwerdeberechtigt, die Tarifgemeinschaft nicht beschwerdebefugt.

Land und TdL sahen Tarifautonomie verletzt

Beschäftigte von Serviceeinheiten bei einem Amtsgericht hatten letztlich erfolgreich die Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe des TV-L und damit eine höhere Vergütung eingeklagt. Das Land Berlin und die tarifschließende Arbeitgebervereinigung, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), wandten sich gegen die Urteile des Bundesarbeitsgerichts. Es habe die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie verletzt und die spezifischen Grenzen der zulässigen Auslegung tarifvertraglicher Regelungen überschritten.

BVerfG: Land Berlin nicht beschwerdeberechtigt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie sei insgesamt unzulässig. Das Land Berlin sei nicht beschwerdeberechtigt. Es könne sich weder auf die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) noch auf Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG berufen. Das Land sei hier keine eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtung, die – wie etwa Rundfunkanstalten, Universitäten oder Kirchen – unmittelbar dem durch ein spezifisches Grundrecht geschützten Lebensbereich zuzuordnen wäre und in diesem Lebensbereich den Bürgerinnen und Bürgern zur Verwirklichung ihrer Grundrechte diente. Laut BVerfG wäre es mit dem vorrangigen Sinn der Grundrechte, den Schutz der Einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu gewährleisten, nicht mehr vereinbar, die Grundrechtsfähigkeit auf juristische Personen des öffentlichen Rechts weiter auszudehnen. Es könnte vielmehr dazu führen, dass die Grundrechte in ihr Gegenteil verkehrt werden, wenn Grundrechtsschutz zugunsten der öffentlichen Hand damit letztlich gegen die Bürgerinnen und Bürger gewendet werde.

TdL nicht beschwerdebefugt

Die Arbeitgebervereinigung TdL sei nicht beschwerdebefugt. Sie sei durch die angegriffenen BAG-Entscheidungen nicht unmittelbar adressiert, da sie weder Partei noch Beteiligte des Ausgangsverfahrens gewesen sei. Zwar habe sie den verfahrensgegenständlichen Tarifvertrag abgeschlossen, doch binde die gerichtliche Entscheidung rechtlich nur im Verhältnis zwischen den Prozessparteien. Dass die hier angegriffenen Entscheidungen mittelbar auf das Tarifgeschehen einwirkten, genüge für die Beschwerdebefugnis nicht.

TdL hätte auch zunächst die Fachgerichte anrufen müssen

Darüber hinaus genüge die Verfassungsbeschwerde der Arbeitgebervereinigung nicht dem Grundsatz der Subsidiarität. Hier hätte die Arbeitgebervereinigung den Inhalt des Tarifvertrages gerichtlich verbindlich klären lassen können, so das BVerfG. Eine Verbandsklage sei auch dann zulässig, wenn sie lediglich die Gültigkeit oder Auslegung einer einzelnen Tarifnorm betreffe. Hier sei nicht erkennbar, weshalb dies unzumutbar sein sollte. Die Beschreitung des Rechtswegs würde auch verhindern, dass das BVerfG über eine solche fachliche Frage auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage entscheide.

BVerfG, Beschluss vom 04.10.2022 - 1 BvR 382/21

Redaktion beck-aktuell, 21. Dezember 2022.