Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen dritte Startbahn am Flughafen München
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Der Bund Naturschutz ist mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Erweiterung des Flughafens München um eine dritte Start- und Landebahn gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an, weil eine Grundrechtsverletzung mangels Vorlage erforderlicher Unterlagen nicht hinreichend dargelegt worden sei.

Bund Naturschutz monierte unzureichende Kontrolle der Luftverkehrsprognose

Beschwerdeführer war der Bund Naturschutz, der auch Eigentümer durch das Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommener Grundstücke ist. Seine Einwendungen richteten sich unter anderem gegen das dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Luftverkehrsprognosegutachten sowie dessen gerichtliche Kontrolle. Der Beschwerdeführer machte insbesondere geltend, der Verwaltungsgerichtshof München habe die gerichtliche Kontrolle der Luftverkehrsprognose nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend durchgeführt.

Verband: Kontrolle mangels Offenlegung der Prognosegrundlagen unmöglich

Denn er habe den Prüfungsumfang bezüglich der Prognosemethodik eingeschränkt, obwohl die Frage, ob eine Prognose einwandfrei zustande gekommen sei, der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliege. Der Methode der Luftverkehrsprognose fehle es hier an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Verschiedene Prognosegrundlagen seien unter Berufung auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht offen gelegt worden. Die Prognose habe daher weder durch die Behörde oder deren Qualitätssicherer noch durch den Beschwerdeführer oder die Gerichte überprüft werden können.

Beurteilungszeitpunkt für Rechtmäßigkeitskontrolle gerügt

Außerdem habe der VGH für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses auf den Tag der Behördenentscheidung als entscheidungserheblichen Zeitpunkt abgestellt, obwohl die Planrechtfertigung danach – aber noch während des gerichtlichen Verfahrens – entfallen sei, weil die Erwartungen der Luftverkehrsprognose tatsächlich nicht eingetreten seien.

BVerfG: Mögliche Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Möglichkeit einer Verletzung der Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 GG wegen einer unzureichenden Kontrolle der Grundlagen der Luftverkehrsprognose sei nicht hinreichend dargelegt worden.

Für Beurteilung erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt

Der Beschwerdeführer habe es versäumt, alle Schriftstücke, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Berechtigung der geltend gemachten Rüge erforderlich sei, mit der Verfassungsbeschwerde vorzulegen oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben. Die fehlenden Unterlagen wären hier erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob die Kenntnis der nicht öffentlich zugänglichen Datengrundlagen unter Berücksichtigung ihres Umfangs und ihrer Bedeutung für die volle gerichtliche Nachprüfung der Tatsachengrundlagen und der Geeignetheit der Methode der beanstandeten Prognose unentbehrlich gewesen sei, oder aber in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG habe angenommen werden dürfen, dass diese Kenntnis verzichtbar war.

Beurteilungszeitpunkt für Rechtmäßigkeitskontrolle nicht zu beanstanden

Eine Verletzung der Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie von Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 GG ist laut BVerfG auch nicht hinreichend dargelegt, soweit der VGH für die gerichtliche Nachprüfung und Beurteilung der Verkehrsprognose allein auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abgestellt und die nach diesem Zeitpunkt eingetretenen, vom Beschwerdeführer geltend gemachten und im Widerspruch zu der Prognose stehenden Entwicklungen nicht berücksichtigt habe. Werde bei der Entscheidung über die Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss auf den Zeitpunkt des Erlasses abgestellt, schließe das den Schutz eines Enteignungsbetroffenen für den Fall, dass seine – durch den Planfeststellungsbeschluss dem Grunde nach ermöglichte – Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde, nicht aus. Dass hier etwa ein verwaltungsverfahrensrechtlicher Schutz von vornherein nicht zu erlangen wäre, habe der Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, und dies sei auch nicht ersichtlich.

Weitere Beschwerden zu Flughäfen München und Frankfurt am Main gescheitert

Darüber hinaus hat das BVerfG in vier weiteren Verfahren, die sich gegen Planfeststellungsbeschlüsse und dazu ergangene gerichtliche Entscheidungen zu den Flughäfen München und Frankfurt am Main richteten, die Verfassungsbeschwerden weiterer Beschwerdeführer nicht zur Entscheidung angenommen. Insoweit habe die zuständige Kammer gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung der Entscheidung abgesehen.

BVerfG, Beschluss vom 01.06.2021 - 1 BvR 2374/15

Redaktion beck-aktuell, 20. Juli 2021.