Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe in Bremischen Häfen ist nichtig
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Das Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe in den Häfen der Freien Hansestadt Bremen ist unwirksam. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 07.12.2021 die diesbezügliche Vorschrift des Bremer Hafenbetriebsgesetzes für verfassungswidrig erklärt, weil der Hansestadt die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass eines solchen Verbots fehle. Die Bremer Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) bedauerte die Entscheidung.

Hansestadt Bremen erließ Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe

Auf Entschließung der Bremischen Bürgerschaft wurde am 31.01.2012 das Hafenbetriebsgesetz durch Einfügung des § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG, der ein Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe vorsieht, geändert. Hintergrund war, dass sich Bremen von der - seiner Meinung nach falschen - Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, besonders betroffen sah. Bremen und Bremerhaven seien nicht nur den erheblichen Risiken alter Atomkraftwerke noch auf Jahrzehnte ausgesetzt, sondern auch massiv davon betroffen, dass Kernbrennstoffe (und deren Abfallprodukte) noch auf lange Sicht transportiert und nach der Vorstellung der Bundesregierung auch über die bremischen Häfen verladen werden sollen.

Klage von Transportunternehmen

Mit der Durchführung bundesbehördlich genehmigter Atomtransporte betraute Unternehmen beantragten erfolglos die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für den Umschlag von Kernbrennstoffen in den bremischen Häfen und erhoben schließlich Klage. Das Verwaltungsgericht setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG mit Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG und dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar sei. Die Vorschrift verstößt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung, weil sie eine atomrechtliche Regelung trifft, für die der Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitzt.

BVerfG: Umschlagsverbot ist nichtig

Das Bundesverfassungsgericht hat § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG für mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG unvereinbar und nichtig erklärt. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG besitze der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über alle Belange im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung von Kernenergie. Hierunter fielen auch Regelungen zu Transport und Umschlag von Kernbrennstoffen, da die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken zwingend auch den Transport und Verladevorgänge radioaktiver Stoffe erfordere. Das Zugriffsrecht des Bundes auf alle kernenergierelevanten Sachverhalte stelle sich mit Blick auf möglicherweise überlappende Kompetenztitel im Zweifel als lex specialis dar.

Atomrechtliche Regelung unterfällt nicht dem Widmungsrecht

Die Länder seien zwar grundsätzlich berechtigt, den Umfang der Widmung von Seehäfen frei zu bestimmen und nachträglich Teilentwidmung in der Weise vorzunehmen, dass konkrete Verkehre oder einzelne Umschlagsarten auf bestimmte Hafenteile oder -anlagen beschränkt werden. Allerdings dürften die Länder im Gewande der Widmung keine Regelung treffen, die sich der Sache nach als Regelung eines von Art. 73 GG erfassten Lebensbereichs darstelle und in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingreife. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG stelle keine bloße Teilentwidmung dar, sondern sei ein partielles Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe. Die Teilentwidmung erschöpfe sich zudem in dem Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe und schaffe insoweit ein Sonderrecht zu § 4 AtG, der den Transport von Kernbrennstoffen - unter Beachtung strenger Sicherheitsvorschriften und nach erteilter Genehmigung - grundsätzlich für zulässig erkläre.

Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz beim Bund

Mit der von ihm beabsichtigten Verhinderung von Atomtransporten über die bremischen Häfen solle vor allem zum Ausdruck gebracht werden, dass die aus Sicht der Bremischen Bürgerschaft seinerzeit unzureichende Atompolitik des Bundes nicht (mehr) mitgetragen werde. Das Umschlagsverbot sei daher auch nicht aus hafenbetriebswirtschaftlichen oder -infrastrukturellen Gründen, sondern nur im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft des Landes erfolgt. Die Vorschrift verletze damit die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Atomrecht aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG. Das stehe mit der Widmung der bremischen Universalhäfen nicht in unmittelbarem Zusammenhang, sondern spiegele lediglich diejenigen Motive wider, die das Land Bremen mit seiner Wirtschafts- und insbesondere Energiepolitik allgemein verfolge. Insoweit wolle § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG die in § 4 AtG getroffene Grundsatzentscheidung für die Zulässigkeit des Kernbrennstofftransports aufgrund einer eigenen Risikobewertung konterkarieren.

Eingriff in die Genehmigungshoheit 

Auch aufgrund seiner Wirkungen sei § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG als spezifisch atomrechtliche Regelung zu qualifizieren, zumal danach ein Transport von Kernbrennstoffen unter Nutzung der bremischen Häfen für einen Umschlag selbst dann nicht mehr erfolgen könne, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Transportgenehmigung nach § 4 AtG vorlägen. Für eine Umschlagsgenehmigung von Kernbrennstoffen sei jedoch ausschließlich der Bund zuständig. Das schließ jegliche Gesetzgebung der Länder - vorbehaltlich einer entsprechenden bundesgesetzlichen Ermächtigung, an der es jedoch fehle - aus.

Bremer Umweltsenatorin bedauert Urteil

Die Bremer Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) bedauerte die Aufhebung des Verbots. "Nach wie vor sehen wir es kritisch, dass unsere Häfen eine Drehscheibe für internationale Atomtransporte sind", sagte Schaefer am Dienstag. "Schließlich ist Atomkraft eine Risikotechnologie von gestern, der Transport der Kernbrennstoffe birgt ebenfalls Risiken." Ziel der für nichtig erklärten Regel sei es gewesen, Gefahren durch solche Transporte für die Bevölkerung im Land, aber auch für die Mitarbeiter der Hafen- und Umschlagsbetriebe abzuwehren. "Die CDU war von Anfang an der Überzeugung, dass das Prinzip des Universalhafens in Bremen nicht zur parteipolitischen Propaganda missbraucht werden darf", kommentierte dagegen der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Röwekamp auf Twitter.

BVerfG, Beschluss vom 07.12.2021 - 2 BvL 2/15

Redaktion beck-aktuell, 11. Januar 2022 (ergänzt durch Material der dpa).

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