Das BVerfG hat die beiden Organklagen der AfD-Fraktion verbunden und, soweit zulässig, als unbegründet zurückgewiesen. Sowohl mit ihrer Klage gegen die Abwahl des ehemaligen Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Stefan Brandner, im Jahr 2019, als auch gegen die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Vorsitze in den Ausschüssen für Innen, Gesundheit und Entwicklung, haben die Rechten damit verloren, das BVerfG sieht keine Verletzung ihres Rechts auf Gleichbehandlung als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der fairen und loyalen Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT, BVerfG, Urteil vom 18.09.2024 - 2 BvE 1/20/ 2 BvE 10/21).
Zwar könne die Fraktion sich auch bezüglich der Besetzung der Ausschussvorsitze auf dieses Recht stützen, so der Zweite Senat. Die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegen sich laut den Karlsruher Richterinnen und Richtern aber im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG). Weil es hier nicht um spezifische Statusrechte der Abgeordneten und Fraktionen, sondern allein um die Teilhabe an erst durch die Geschäftsordnung eingeräumten Rechtspositionen geht, ist der alleinige verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab demnach das Willkürverbot. Die Entscheidung ist laut BVerfG einstimmig ergangen.
2019 wurde Stephan Brandner (AfD) als erster Bundestagsausschussvorsitzender von seinem Posten im Rechtsausschuss abgewählt, nachdem er wiederholt mit entgleisenden Äußerungen aufgefallen war. Brandner und die AfD klagten. Das BVerfG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Ausschuss seinen Vorsitz abwählen kann - in der GO-BT gibt es dazu keine Regelung.
SPD kündigt klare Regeln für Abwahl von Ausschussvorsitzenden an
In dem Verfahren ging es jedoch nicht nur um den Streit um den damaligen Rechtsausschussvorsitz, sondern auch um drei Bundestagsausschüsse, bei denen alle von der AfD vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten für den Vorsitz durch ihre Wahlgänge gefallen waren. Die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien wählten sie einfach nicht. Auch dagegen klagte die AfD vor dem BVerfG.
In einer ersten Reaktion begrüßte der Deutsche Anwaltverein (DAV) das Urteil: "Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen, die gegen den Rechtsstaat arbeiten, dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages vorsitzen", teilte die Hauptgeschäftsführerin des DAV Sylvia Ruge mit. "Eine starke Opposition ist Basis einer funktionierenden, pluralen Demokratie", wird Ruge weiter zitiert. Auch die Opposition müsse daher Partizipationsmöglichkeiten erhalten. Gleichzeitig müssten die Ausschüsse aber selbst die Möglichkeit haben, ihre Vorsitzenden zu wählen oder abzuwählen, wenn diese sich für ihre Position disqualifizierten. "Dass das Bundesverfassungsgericht dieses Recht gestärkt hat, ist ein wichtiges Zeichen", so Ruge.*
Auch die derzeitige Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), begrüßt vor allem die gerichtliche Klarstellung, dass die Rolle der Ausschussvorsitzenden sie zu einer maßvollen Amtswahrnehmung verpflichte. Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), sagte der Rheinischen Post: "Die AfD sollte die selbstgewählte Opferrolle endlich ablegen. Karlsruhe hat klar festgestellt, dass ihre Rechte auf faire Verfahren gewahrt wurden."*
Auch die SPD reagierte erleichtert auf das Karlsruher Urteil. "Die Ausschussvorsitze sind zu wichtig, als dass wir sie mit unqualifizierten Personen besetzen können", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner. Er kündigte zugleich an, dass die Regierungsfraktionen eine Präzisierung der Geschäftsordnung des Bundestags vorschlagen würden, sodass künftig "sowohl die Vorsitzenden von Ausschüssen, aber auch die Schriftführer im Präsidium des Deutschen Bundestages nach klaren Regeln abgewählt werden können."*
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*Anm. d. Red: Reaktionen ergänzt am Tag der Veröffentlichung, 15.00 Uhr, mam